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Schafft der Dax bald die 10.000 Punkte?

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Die Kurse an den Börsen steigen und steigen. Solange die Zinsen niedrig sind, hat der Anleger kaum Alternativen. Die Prognosen werden immer kühner.

Es klingt für Anleger verheißungsvoll: Bis Ende nächsten Jahres wird der deutsche Aktienindex Dax auf 9700 Punkte steigen – und wenn alles gut läuft, überschreitet er sogar die magische Grenze von 10 000 Punkten. Mit dieser zuversichtlichen Prognose sorgte die Deutsche Bank in der vergangenen Woche für einige Aufmerksamkeit.

Die große Frage

Andere Banken sind da etwas vorsichtiger – reihen sich aber gleichfalls unter die Optimisten ein. Privatbanken wie Hauck &amp- Aufhäuser oder Warburg liegen mit ihrer Prognose nicht weit unter der Deutschen Bank (siehe Grafik oben), und auch die Landesbanken kommen auf Dax-Prognosen von immerhin bis 9400 Punkten. Die große Frage:

Was ist davon zu halten? Worauf stützen die Banken ihre Annahmen? Und: Was weiß die Wissenschaft über die Seriosität dieser Vorhersagekünste?

Auf Nachfrage erklärt die Deutsche Bank, wie sie auf ihre Prognose kommt – nicht ohne zu erwähnen, dass man mit Prognosen dieser Tage immer sehr vorsichtig sein müsse, dass es sich nur um „mathematisch hergeleitete Richtungsprognosen“ handele und Punktlandungen demzufolge äußerst selten seien.

Zwei Verfahren haben demnach bei Deutschlands größter Bank zu dieser Vorhersage geführt – eine „Bottom up“-Methode und ein „Top down“-Verfahren. Beim ersten Verfahren hat man aus den erwarteten Gewinnen der Unternehmen im Dax die künftige Entwicklung des Index hochgerechnet – beim zweiten Verfahren wurden die volkswirtschaftlichen Prognosen für die Weltwirtschaft auf die Aktienkurse der Unternehmen im Dax heruntergebrochen.

Die „Bottom up“-Methode am Beispiel Dax funktioniert so: „Dazu aggregiert man das erwartete Ergebnis je Aktie aller 30 Dax-Unternehmen – und zwar genauso gewichtet, wie die Unternehmen im Dax berücksichtigt sind“, sagt Ulrich Stephan, der Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank. Für das Jahr 2013 kommt die Deutsche Bank dafür beim Dax auf einen Gewinn je Aktie von 660 Euro, für 2014 auf 765 Euro und 2015 auf 845 Euro.

Unwägbarkeiten erschweren Prognosen

Um aus den erwarteten Gewinnen dann eine Dax-Prognose abzuleiten, braucht man noch eine Schätzung für das künftige Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV. Es drückt aus, wie hoch die Aktien bewertet sind. „Im Augenblick liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei ungefähr 11,5, das entspricht in etwa dem zehnjährigen Durchschnitt“, sagt Stephan. Weil die Gewinnerwartungen der Analysten zuletzt relativ stabil waren, haben die Analysten für ihre Prognose hier keine weitere Veränderung angenommen. Wenn man nun 11,5 mit 845 multipliziert, kommt man auf die vorsichtige Schätzung der Deutschen Bank für den Dax Ende 2014 von 9700 Punkten.

Die zweite Berechnungsweise ist die „Top down“-Methode. Dabei schaut man volkswirtschaftlich, wie die Prognosen für das Wirtschaftswachstum im jeweiligen Wirtschaftsraum aussehen. „Die Dax-Unternehmen sind recht global aufgestellt, deshalb ist das weltweite Wirtschaftswachstum die entscheidende Bezugsgröße“, sagt Stephan. Für die Weltwirtschaft wird von den Volkswirten der Bank für 2013 ein Wachstum von 2,8 Prozent erwartet, für 2014 von 3,8 Prozent. „Wenn man die Prognosen für das weltweite Wirtschaftswachstum auf die Gewinne der Dax-Unternehmen herunterbricht, kommt man auf eine Prognose von bis zu 10 000 Punkten für den Dax bis zum Ende nächsten Jahres.“

Unwägbarkeiten, wie sich etwa die amerikanische Geldpolitik in Zukunft entwickelt, steckten dabei in zwei Größen dieser Prognose, sagt Anlagestratege Stephan: „Erwartungen über die Geldpolitik stecken bereits in den Schätzungen für die künftigen Ergebnisse der Unternehmen – und noch einmal in der Schätzung, wie sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis bis zum Ende nächsten Jahres entwickelt.“ Sollte mehr billiges Geld in die Aktienmärkte fließen, so würde dies das KGV erhöhen.

Analysten lagen bisher immer falsch

Allerdings: Nicht viel übrig für all diese prognostischen Überlegungen der Bank-Ökonomen hat so mancher Wirtschaftsprofessor von der Universität. „Fast alle Wissenschaftler halten Dax-Prognosen für Humbug“, sagt etwa Mark Wahrenburg, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurter Goethe-Universität. Sein Kollege Martin Weber von der Universität Mannheim hat sich sogar den Spaß gemacht, einmal über einen Zeitraum von sechs Jahren (2005 bis 2011) den Verlauf des Dax zu betrachten und zu vergleichen, wie zutreffend die Dax-Prognosen der Bankanalysten für das jeweils nächste Jahr gewesen sind.

Das Ergebnis war sehr ernüchternd: Die Analysten lagen immer falsch. In den Jahren bis 2008 unterschätzten sie den Anstieg der Kurse systematisch, und zwar jeweils um 18 bis 20 Prozent. Am schlimmsten aber verschätzten sie sich 2008, als die Finanzkrise kam und der Dax auf weniger als 4000 Punkte fiel, statt auf mehr als 8000 Punkte zu steigen. Wohlgemerkt: Betrachtet wurde hier nur der Durchschnitt von einer Vielzahl von Analysten – noch nicht einmal die peinlichen Extremfälle.