
Der neue Bundestag ist erstmals zusammengetreten. Charles Huber, früher Schauspieler und jetzt für die Darmstädter CDU in Berlin, ist dabei und spricht gewichtig.
Charles M. Huber hat in Berlin noch kein Boxstudio gefunden. Aber er dreht die Musik immer ganz laut auf. Jeden Morgen nach dem Schlafen trainiert er zehn Minuten lang in seiner kleinen Berliner Wohnung. Er macht Schattenboxen. Er mag diese Bewegung.
Das M. im Namen von Charles Huber steht für Muhamed. Den Beinamen hat sich Huber, der in München geboren wurde und in Niederbayern aufwuchs, selbst gegeben, als Hommage an Muhammad Ali, den Boxer. Die Bürokratie des Deutschen Bundestags, des Parlaments, in das Huber am 22. September über die Landesliste der CDU gewählt worden ist, nennt Charles M. Huber wieder so, wie er zu seiner Geburt hieß: Karl-Heinz. Eigentlich ganz gut, für einen Neuanfang, so als Politiker in Ausbildung?
„Das Volk braucht keinen Azubi“
Der Mann, der neun Jahre lang den Polizeikommissar Henry Johnson in der ZDF-Serie „Der Alte“ gab, den auch der CDU-Kreisvorsitzende in Darmstadt, Ctirad Kotoucek, einen „Neuling in der Politik“ nennt, findet nicht, dass er ein Politiker in Ausbildung ist. „Wenn Sie 20 Jahre in der Politik sind, dann sind Sie nicht in Ausbildung“, sagt Huber. Er sei nicht nur Schauspieler gewesen in den vergangenen Jahren, sondern habe eine „Parallelbiographie“ als Politikberater gehabt. „Das Volk braucht keinen Azubi.“
Dienstag, 10.47 Uhr. Um elf tritt der 18. Deutsche Bundestag erstmals zusammen. In der Anwesenheitsliste am Eingang zum Reichstag fehlt Hubers Unterschrift. Er ist noch nicht da. Brigitte Zypries, die SPD-Politikerin, die den Wahlkreis Darmstadt knapp vor Huber für sich entschied, steht in einer Traube. Als kurz vor elf Kanzlerin Angela Merkel in den Plenarsaal geschlendert kommt, sitzt auch Huber auf seinem Stuhl. Er hat einen Gangplatz in der vorletzten Reihe und schon um halb acht am Morgen ein Interview gegeben.
Charles Huber sieht matt aus, seit Tagen schon. Am Montagmittag, einen Tag vor der konstituierenden Sitzung des Bundestags, baumelt ihm das Etikett eines Teebeutels aus der Hosentasche. Gesundheitstee nennt Huber das Getränk, irgendwas mit Ayurveda sei das. Er sagt, er habe noch nichts gegessen, den ganzen Tag nicht. Er hat ein langes Zeitungsinterview gegeben, gleich kommt das französische Fernsehen, dann muss er in die Sitzungen der Landesgruppe und der Fraktion.
Suche nach einem Ausschuss
Die Fraktion tagt an diesem Montag zum dritten Mal seit der Wahl. Die Sitzung geht dreieinhalb Stunden. Charles Huber verlässt sie gegen elf Uhr abends und macht ein bisschen ein Geheimnis daraus, was da eigentlich geschieht. Es gehe um Posten. Man wähle Sprecher und Vorsitzende, zuletzt in der Landesgruppe den Landesgruppenleiter. Es gehe darum, wer in welchem Ausschuss sitzen wird. So etwas eben.
Und in welchem Ausschuss wird Charles M. Huber mitarbeiten? „Das weiß ich noch nicht“, sagt er. Was wäre sein Wunsch? Huber ist vorsichtig, sucht mit gewichtigen Antworten nach dem Subtext jeder Frage. „Es geht darum, eigene Initiativen einzubringen“, sagt er. „Ich will meine interkulturelle Kompetenz zur Verfügung stellen und etwas tun, das unmittelbaren Bezug zum Wahlkreis hat.“ „Der heilige Thomas sagt, es wird schwierig, wenn es konkret wird“: Im Plenarsaal des Bundestags eröffnet Alterspräsident Heinz Riesenhuber die erste Sitzung des neuen Bundestages mit schönen Sätzen. Charles Huber will für seinen Wahlkreis dreierlei tun: Er will den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort fördern, er will die Infrastruktur verbessern, und er will eine dynamischere Konversion von leerstehenden Flächen in Wohnraum. Und konkret?
„Es hat sich vor kurzem keiner vorstellen können, dass Darmstadt einen ICE-Anschluss bekommt“, sagt Charles Huber. „Seit ich darüber spreche, sprechen auch andere darüber.“ Also wäre es ein gutes Resultat für jemanden, der von sich sagt, er sei an Resultaten interessiert, wenn in vier Jahren in Darmstadt ICEs halten würden? „Ja, das wäre schon möglich.“
Huber macht eine Pause. Das ist selten, aber jetzt hofft er auf eine neue Frage. „Es gibt da zwei Möglichkeiten. Es hat etwas mit der Rochade vom Schienen- und Personenverkehr zu tun.“ Huber greift nach seinen Autogrammkarten, er schiebt sie mit Daumen und Zeigefinger zusammen, damit sie schön Ecke auf Ecke übereinanderliegen, schichtet sie von einem Haufen auf einen zweiten um.
Provokante Frage
Er findet, das hatte er schon ganz zu Beginn des Gesprächs gesagt, dass ziemlich schnell über ihn geurteilt worden ist. Das sei schon früher manchmal so gewesen, als er noch Fernsehschauspieler war und sich Leute ins Theater gesetzt hätten, die ihn scheitern sehen wollten. „Dann hat man halt seine Leistung gebracht und da haben die schon geguckt“, hatte Huber gesagt, als er diese Anekdote erzählte. Haben alle Bundestagsabgeordneten Autogrammkarten? Huber lacht. Endlich eine neue Frage. Aber eine provokante, findet er. „Es gab Anfragen, deshalb habe ich die Karten hierher mitgenommen“, sagt er. „Leftovers“ seien das, Überreste. „Charles Huber, Bundestagskandidat“ steht vorn auf den Karten. Hinten sein Lebenslauf: Geboren im Dezember 1956 in München, der Vater ein senegalesischer Diplomat, vier studierende Kinder, wohnhaft in Seeheim-Jugenheim.
Es sind „Tätigkeiten im Bereich Politik und Wirtschaft“ aufgelistet, darunter: Teilzeitberater des Bundesministeriums für Verbraucherschutz und Landwirtschaft und ein Werbespot für die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Wahl 2009. Charles Huber sagt, er war als Berater für Unternehmen und Institutionen vor allem in Afrika-Fragen tätig. Er habe „entsprechende Projekte“ gemacht und Kofi Annan getroffen. Der Bundestag schrecke ihn da nicht. „What’s the difference?“, fragt er, wo der Unterschied liege.
Beitrag für die HuffPo
In Hubers Büro sind die Stühle geliehen, die Mitarbeiter, die ihm als Abgeordnetem zustehen, sind noch bei anderen beschäftigt. Erst Anfang November beginnen die Verträge neu. Bis dahin, sagt Huber, könne er noch nicht richtig arbeiten. Kürzlich hat er in der deutschen „Huffington Post“ einen Beitrag anlässlich der Flüchtlingsdramen vor der italienischen Insel Lampedusa verfasst. Der erste Satz lautet: „Auf was beziehen wir uns, wenn wir die Perspektiven unseres Planeten betrachten.“
Darunter macht er es nicht. Selbst, wenn Charles Huber nur auf die Frage antwortet, wie lange er heute Zeit hat und wann er zum nächsten Termin muss, hebt er an, als würde er eine Rede vor den Vereinten Nationen halten. Er sagt dann, er habe viele Einladungen. Zu Kulturveranstaltungen. Heute, am Mittwoch, ist er in Darmstadt unterwegs, beim hessischen Unternehmerverband. Manchmal trifft er sich zum Essen im Café Einstein in Berlin, „immer hin und her“.
Im Plenarsaal des Bundestags wird der Präsident des neu zusammengetretenen Parlaments gewählt. Charles Huber steht mit seinem gelben Wahlausweis schon an der Urne, da ist sein Name noch lange nicht aufgerufen. Er steckt den Brief in den Schlitz, seine rechte Hand in die Hosentasche und trödelt suchend durch die Reihen. Er sagt Wolfgang Schäuble hallo und schüttelt Wolfgang Bosbach die Hand, lehnt sich über einen freien Stuhl zwischen Abgeordneten, die miteinander sprechen, und guckt, bis man ihn begrüßt.
Wenn Charles M. Huber durch Berlin läuft, durch diese endlose Stadt, dann schreitet er, als gebe es eine unsichtbare Schneise. Er wird erkannt, immer wieder. Ein Junge mit Spiderman-Mütze und seine Mutter möchten ein Foto. Es ist früher Nachmittag, Huber hat noch nicht einmal eine Semmel gegessen, wie er sagt. Er entspricht solchen Wünschen aber trotzdem, immer.
Charles M. Huber hat in Berlin noch kein Boxstudio gefunden. „Das ist ein Manko“, sagt er. Darum werde er sich schnell bemühen. Bisher macht er nur Schattenboxen.
