Gesellschaft

Erziehung: Die Bildung des Herzens

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Kinder in Paris, 1952: Zu Empathie gehört auch, Anderen beizustehen, wenn sie traurig sind. In der heutigen Zeit wird es für Eltern jedoch zunehmend schwerer, diese Fähigkeit zu vermitteln.

In unserer oft kalten Gesellschaft werden auch Kinder immer ichbezogener. Kann man ihnen Empathie beibringen?

Vor langer Zeit sang Herbert Grönemeyer, dass die Welt in Kinderhände gehöre, damit die Kriege und der Trübsinn endlich ein Ende hätten, was schön und versöhnlich klang, aber mit der Realität leider nicht das Geringste zu tun hat. Gerade Kinder können sozial blind und grausam sein, weil es ihnen noch an dem nötigen Reflexionsvermögen fehlt, um in die Schuhe des anderen zu schlüpfen. Nehmen wir zum Beispiel eine Szene wie diese: Ein Kind, vielleicht acht, neun Jahre alt, ist gemeinsam mit seiner Mutter in der Frankfurter Goethestraße unterwegs, einer relativ kurzen, sehr teuren Einkaufsstraße, in der Jil Sander, Chanel und Gucci mit ihren Läden vertreten sind. Vor einem der Geschäfte sitzt ein Bettler, ziemlich vermummt, weil es kalt ist. Der in Markenklamotten gekleidete Junge blickt auf den Mann herunter, greift in die Hosentasche und wirft dem Bettler ein zusammengeknülltes Papier in den Becher, ohne dabei auch nur eine Miene zu verziehen. Zum Glück reagiert die Mutter und weist ihren Sohn lautstark in die Schranken. Er muss sich bei dem Bettler entschuldigen und sein Papier wieder aus dessen Becher nehmen.

Nun sagt diese Szene natürlich erst einmal nichts über die tatsächliche Mitgefühlsfähigkeit des Kindes aus, weil wir nicht wissen, ob sich der Junge vielleicht gerade mit seiner Mutter gestritten hatte oder wütend war. Er hat getan, was Kinder eben tun: Grenzen testen. Entscheidend ist die Reaktion der Mutter, die ihrem Sohn klarmacht, dass sein antisoziales Verhalten gegen alle Regeln verstößt und den Bettler in seiner Würde verletzt. Es sind in erster Linie ja (zumindest im Idealfall) die liebenden, fürsorglichen Eltern, die ihr Kind und dessen Bedürfnisse ernst nehmen, die Herzensbildung betreiben und ihrem Kind durch ihr eigenes Verhalten zeigen, was es heißt, ein einfühlsamer Mensch zu sein. Ein Mensch, dem die Gefühle der anderen nicht egal sind.