Eurokrise

Italiens Innenminister Salvini: „Wir lassen uns nicht von Ratingagenturen einschüchtern“

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Italiens Innenminister Matteo Salvini

Die italienische Regierung gibt sich im Streit um ihre Neuverschuldung kompromisslos. Auch ein Warnschuss aus der Finanzwelt schreckt sie nicht.

Die italienische Regierung bleibt unbeeindruckt von der scharfen Kritik an ihren Finanzplänen und will ihren Kurs trotz wachsender Sorgen vor einer neuen Schuldenkrise durchziehen. Der stellvertretende Premierminister und Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, machte am Samstag in Rom klar, dass Italien ungeachtet von Warnungen der EU-Kommission und von Analysten nicht nachgeben werde. „Ich denke, ich kann im Namen der ganzen Regierung sprechen, wenn ich jedwede Neubewertung des Defizitziels von 2,4 Prozent ablehne“, sagte der Politiker.

Auch Italiens Innenminister Matteo Salvini wies die Einwände zurück: „Wir lassen uns nicht von Ratingagenturen einschüchtern“, erklärte er. „Sie haben sich in der Vergangenheit eklatante Fehleinschätzungen geleistet, und sie täuschen sich auch dieses Mal.“ Der Haushaltsentwurf der Koalitionsregierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechtsextremer Lega sieht für das kommende Jahr ein Defizit von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung vor. Das ist dreimal so viel wie die von der Vorgängerregierung versprochenen 0,8 Prozent. 2020 beträgt das Defizit demnach 2,1 Prozent. Im Jahr 2021 liegt es der Planung zufolge bei 1,8 Prozent.

Die meisten Analysten schätzen überdies die Wachstumserwartungen der italienischen Regierung als zu optimistisch ein. Statt der von Rom angegebenen 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum rechnen sie eher mit nur einem Prozent. Die EU-Kommission kritisierte den Haushaltsplan für 2019 in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief als „beispiellosen“ Verstoß gegen die Empfehlungen aus Brüssel zum Defizitabbau. Finanzminister Giovanni Tria muss Brüssel bis Montagmittag antworten.

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Ein Ausscheiden Italiens wäre verheerend

Viele Beobachter schätzen die Verhandlungsposition der italienische Regierung auch angesichts des anhaltenden Streits um den Brexit jedoch als nicht schlecht an. „Italien steuert auf eine Kraftprobe mit Brüssel zu, und ich bin mir nicht sicher, ob es viel zu verlieren hat“, sagte der Analyst beim kanadischen Versicherer Manulife, David Hussey. Nach dem Brexit wäre der Verlust Italiens seiner Ansicht nach verheerend und müsste von der EU „um jeden Preis vermieden“ werden.

Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte der „Rheinischen Post“: „In der nächsten Wirtschaftskrise könnte das Vertrauen der Investoren in die italienischen Staatsfinanzen ganz kollabieren.“ Im Ernstfall sei angesichts des derzeitigen Verhaltens der Regierung auch nicht mit Hilfe von den Rettungsschirmen oder der Europäischen Zentralbank zu rechnen.

Eigentlich sind in der Währungsunion ein maximaler Schuldenstand von 60 Prozent und eine jährliche Aufnahme neuer Kredite von höchstens 3,0 Prozent der Wirtschaftsleistung zulässig. Weil Italien einen riesigen Schuldenberg von etwa 130 statt 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat, muss es nach früheren Beschlüssen aber strengere Werte einhalten.

Eine weiter steigende Verschuldung könnte die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen weiter steigen lassen – mit möglichen Gefahren für das Vertrauen in die öffentlichen Haushalte und in die Stabilität der gesamten Eurozone. Die Ratingagentur Moody’s stufte die Kreditwürdigkeit des Landes deshalb am späten Freitagabend herunter. Die Bonitätswächter kritisierten, die Pläne zeigten keine „kohärente Reformagenda“, die das maue Wachstum Italiens beschleunigen könnte.