Mode & Design

Londoner Modewoche: Bitte etwas Mut applizieren

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Bei Burberry ging es in dieser Saison eher klassisch zu.

Ein Designer-Debüt bei Burberry, zwei Jubiläen, eine Aktivistin auf dem Laufsteg: Selten war auf der Londoner Modewoche so viel los wie in dieser Saison. Das erinnert daran, dass Mut ein guter Ratgeber ist.

Keine Beyoncé. Keine Kim Kardashian. Kein Kanye West. Es sagt viel über die Mode aus, wenn bei dem Debüt eines Modemachers in einem der größten Häuser als erstes auffällt, welche Prominenten nicht da sind. Bei der Schau von Riccardo Tisci, der so eng mit den Stars ist, dass es Freunde sind, verrät das noch mehr. Dass es hier ohne ein einziges prominentes Gesicht bei Burberry am späten Montagnachmittag wirklich um das Produkt gehen soll, um den Trenchcoat, das Karo, das Beige. Und um die Kunden, die das alles kaufen sollen. Er wolle damit nicht nur die Töchter abholen, sondern auch die Mütter, sagt Riccardo Tisci nach der Schau, die Väter und die Söhne.

Zwei Minuten zuvor hat der Designer seine eigene Familie geherzt, gut ein Dutzend Tiscis, er ist schließlich Italiener. Mit acht Schwestern wuchs er auf, zog dann nach London, um Mode zu studieren, und übernahm 2005 in Paris Givenchy. Er blieb bis 2017. Vor wenigen Monaten kam dann das Angebot, Burberry zu übernehmen, als Nachfolger von Christopher Bailey, der dem Haus in seinen 17 Jahren eine Digitalkur verpasst hatte und ein maues See-now-buy-now-Konzept. Einen genauen Plan, der so aufgeräumt ist wie dieses Laufsteg-Debüt, kann man jetzt gut brauchen. So wie dieser Tage überhaupt in London. Nicht nur in London, England, um mal die Ortsmarke von Burberry, die unter Riccardo Tisci neue Bedeutung haben soll, zu verwenden. In ganz Großbritannien.

Denn in welchem Zustand dieses Land im kommenden Frühjahr sein wird, ob es sich am 29. März 2019 mit einem Abkommen aus der EU verabschieden wird, ist unklar. Das betrifft auch die 32 Milliarden Pfund schwere Modebranche des Landes. Wenn sich deren Designer nicht künftig auf Strickware aus schottischer Wolle spezialisieren wollen, die sie in heimischen Fabriken produzieren lassen, braucht es allmählich einen Plan. Ansonsten könnten, im Falle eines schwachen Pfunds, schon die Rohstoffe unbezahlbar werden, ganz abgesehen von den Zöllen, von den Grenzkontrollen und fehlenden Mitarbeitern im Land. Aber: Wenn die britische Mode jetzt so abhängig von der Entscheidungsfindung ihrer Regierung ist, dann scheinen zumindest viele der Designer, die in den vergangenen Tagen die Entwürfe fürs nächste Frühjahr auf der Londoner Modewoche präsentierten, ihren Plan zu haben.

Das TB-Logo kleidete schon Tage zuvor viele Städte

So viel wie in dieser Saison war nämlich selten los. Das liegt natürlich zunächst einmal an Burberry. Denn hier hat man Größeres im Sinn. Diese Schau ist nicht unaufgeregt, nur weil sie ohne das gewöhnliche Blitzlichtgewitter auskommt, weil sie sich der Klassiker annimmt, weil es um Trenchcoats mit breiten Gürteln für Damen geht, um minimal ausgestellte plissierte Röcke mit Gürteltaschen, um Stockschirme auf dem Rücken über dem Anzug für Herren.

Mit dieser Kollektion will das Haus nicht Millionen Menschen erklären, dass jetzt was Neues kommt. Es sind eher Milliarden Mütter und Töchter, Väter und Söhne. Schon Tage vorher kleidete das neue TB-Logo, in Erinnerung an die Initiale des Gründers Thomas Burberry, der 1856 mit Regenmänteln anfing, viele Städte. Fensterscheiben der Läden in London wie in Hongkong waren damit verklebt. In Schanghai projizierten sie das T in dem B auf Wolkenkratzer. Und überall tragen Häuserwände, Busse, Sonnenschirme Burberry. Man muss schon sehr unaufmerksam am Marble Arch vorbeifahren, um den Riesenteddy mit dem Burberry-Logo auf einer Verkehrsinsel nicht zu bemerken.

Vielleicht braucht es heute so viel Machtdemonstration. Und vielleicht bringen Zufall und Glück immer weniger. Wer etwa im Laden an der Regent Street einen schwarzen Trenchcoat sucht oder nach einer braunen großen Tasche, wird sie dort nicht kaufen können. Es gibt sie natürlich. Aber bis die Schluppenblusen für die Mütter und die Jacken mit Shakespeare-Zitaten und Sex-Pistols-Referenzen für die Söhne eintreffen, sind erste „drops“ wie die Mäntel vorerst trotzdem nur in Beige erhältlich, die Taschen in Rot und Schwarz. Denn so ganz vorbei ist es mit See-now-buy-now dann doch nicht. Ausgewählte Stücke kann man sehr wohl direkt im Anschluss an die Schau über Instagram und WeChat kaufen. Aber die Uhr läuft, das Zeitfenster ist nur 24 Stunden lang geöffnet. Ein schwarzes T-Shirt mit neuem Logo ist schon weg, das gab es Freitag.