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„Digital Campus“: Die Commerzbank nimmt sich Spotify als Vorbild

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Der Commerzbank Tower thront über der Frankfurter Innenstadt.

Der Finanzkonzern baut seine Zentrale um. Künftig arbeiten IT- und Fachkräfte auf dem „Digital Campus“ in Teams. Den Abstieg aus dem Dax wird das allein nicht verhindern.

Die Zentrale der Commerzbank am Kaiserplatz überragt alles: Mit 56 Stockwerken und 259 Metern ist der Commerzbank-Tower nicht nur der höchste Wolkenkratzer am Frankfurter Finanzplatz, sondern in ganz Deutschland. Hier arbeiten 2600 Leute, insgesamt beschäftigt die Commerzbank an mehreren Standorten in der Frankfurter Innenstadt rund 10.000 Mitarbeiter. Mit ihren Anzügen und Kostümen prägen sie das Stadtbild rund um die Oper mit.

Auf diese Mitarbeiter kommen große Veränderungen zu. Als der Commerzbank-Vorstand vor zwei Jahren auf die Idee kam, an einer Frankfurter Ausfallstraße einen „digitalen Campus“ zu eröffnen, war die Angst noch groß, dass kein Mitarbeiter dorthin wechseln wolle. Doch der digitale Campus, auf dem 1000 Mitarbeiter in kleinen Projektteams in nun 15 Monaten eine digitale Prozesskette für drei Finanzprodukte erfunden haben, hat durch die Erfolge große Anziehungskraft. Statt Angst davor zu haben, ihren sicheren Arbeitsplatz in der Zentrale aufzugeben, haben viele Mitarbeiter das Gefühl, alles wichtige geschehe jetzt auf dem digitalen Campus.

Ausgerechnet Wirecard – aus einer 9000-Seelen-Gemeinde

Der Vorstandsvorsitzende Martin Zielke nennt den digitalen Campus den „Motor“ oder auch das „Labor“ für die Digitalisierung der Commerzbank. Der Erfolg macht nun Schule. Jetzt sollen die auf dem Campus erprobten Arbeitsweisen auf die Zentrale ausgeweitet werden. Sobald die Betriebsräte zustimmen, wird es einen großen Umbau der Betriebsabläufe in der Zentrale geben. Als Vorbild für die „schnellere Lieferorganisation“ der Commerzbank gilt der Streamingdienst Spotify.

Wie viele junge Technologieunternehmen beherzigt Spotify zwei Dinge: IT ist heute so zentral, dass es keinen Sinn ergibt, Fachabteilungen und IT getrennt zu halten. In der Commerzbank ist es noch so, dass sich zum Beispiel die Exportfinanzierungsfachabteilung etwas Neues ausdenkt, daraufhin die IT-Abteilung um die Umsetzung bittet, dann etliche Schleifen zwischen den beiden Abteilungen gedreht werden, bis das neue Produkt- oder Dienstleistungsangebot steht. Der Abstimmungsbedarf lässt sich, so die Erkenntnis des digitalen Campus, deutlich verringern, indem man gemischte Teams aus Fach- und IT-Experten bildet nach dem Motto: Alle drehen die Schraube gemeinsam. Und eine weitere Erkenntnis ist wichtig: Die IT-Experten sollten nicht nur einmalig Software entwickeln, sondern auch den dauerhaften Geschäftsbetrieb verantworten.

Auch die niederländische ING-Bank und Wirecard arbeiten ähnlich. Ausgerechnet der Zahlungsabwickler Wirecard, der die Commerzbank im September voraussichtlich aus dem Dax drängen wird. Dessen schmucklose Zentrale liegt nicht mitten am Finanzplatz Frankfurt, sondern in Bayern. Allerdings nicht am Englischen Garten im Herzen Münchens, sondern in der 9000-Einwohner-Gemeinde Aschheim nordöstlich der bayerischen Hauptstadt. Dort arbeiten in einem Gewerbegebiet in Wirecards Zentrale 1000 Mitarbeiter, also ein Zehntel der in Frankfurt beschäftigten Commerzbanker. Das Schlimme aus Commerzbank-Sicht ist: Die Börse bewertet Wirecard doppelt so hoch wie die Commerzbank. Wirecard hat die Commerzbank in der Gunst der Anleger dermaßen abgehängt, dass das weitgehend unscheinbare Unternehmen aus dem Münchener Vorort wohl in den Dax auf- und die stolze Frankfurter Großbank aus dem Dax absteigt.