Mode & Design

Zukunftsvision von KPM: Cup der guten Hoffnung

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Produkte für junge Kunden: Bernd Lietke, der Geschäftsführer von KPM in Berlin, will mit feinem Porzellan auch Menschen erreichen, die nicht mehr so viel Wert auf Traditionen legen.

Hochwertiges Porzellan wirkt in schnellen Zeiten wie von gestern. Die Berliner Manufaktur KPM will das zerbrechliche Geschäft mit……

Bernd Lietke hält einen Coffee-to-go-Becher wie selbstverständlich in der Hand. Er spricht über Pappmanschetten als Schutz gegen die Hitze, über dichte und undichte Deckel. Der Coffee-to-go-Becher, den Lietke so fest im Griff hat, ist trotzdem nicht irgendeiner, wie man ihn beim Bäcker oder bei Starbucks über den Tresen gereicht bekommt und bei dem es eigentlich um das geht, was darin enthalten ist, um den Kaffee.

Bernd Lietkes Becher ist noch ein Prototyp, aber nicht mehr lange. Noch drei Monate, und das Ding wird zu kaufen sein, in Weiß und in Schwarz. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Menschen das haben wollen“, sagt Bernd Lietke. Darum geht es ihm. Ein Coffee-to-go-Becher, ausgerechnet, könnte nicht besser für das stehen, woran dieser Mann gerade arbeitet.

Nun muss man wissen, dass Bernd Lietke Geschäftsführer von KPM ist, einem der Hersteller teuersten Porzellans in Deutschland. Königliche Porzellan-Manufaktur: Ein Name wie aus einer anderen Zeit. Aufwendige Malereien, Terrinentöpfe, geschwungene Henkel, Messerbänckchen. Aber anders als so viele Marken in dieser Sparte verschreibt sich dieses Haus nicht mehr nur der Tischkultur. „Alle sagen, man müsse sich der To-go-Mentalität entgegensetzen.“ Alle sind in diesem Fall recht viele aus der Branche. Bernd Lietke selbst lässt diese Lebenshaltung lieber hochleben. Also zum Beispiel direkt mit einer solchen Neuentwicklung.

Hersteller kämpfen ums Überleben

Der Coffee-to-go-Becher für 50 Euro ist natürlich nicht aus Plastik, sondern aus Porzellan, und eigentlich ist das ein Problem. Denn obwohl auch junge Menschen heute bereit sind, für Wohnen und Essen viel Geld auszugeben, sparen sie ausgerechnet an dem, was in dieser Hinsicht Bestand hat. An dem Porzellan, das in ihren Küchenschränken steht, von dem sie bei Tisch essen, aus dem sie trinken. Die Branche bekommt das entsprechend heftig zu spüren. Das Geschäft schrumpft kontinuierlich. Im Jahr 2017 war es nach Zahlen des Verbands der Keramischen Industrie ein Umsatzrückgang von 3,1 Prozent.

Das allein klingt nicht besonders dramatisch. Aber die Geschichten, die damit einhergehen, haben es in sich. Die Insolvenz von Rosenthal vor knapp zehn Jahren steckt vielen noch in den Knochen. Dabei ist es nicht geblieben. Besonders kleine Hersteller haben es schwer. Anfang des Jahres meldete zum Beispiel die Höchster Porzellanmanufaktur, 1746 gegründet, Insolvenz an. Meissen, deutsches Flaggschiff in Sachen Porzellan, will von 2020 an schwarze Zahlen schreiben, die Verluste in den Jahren 2014, 2015 und 2016 beliefen sich allerdings jeweils auf Beträge in zweistelliger Millionenhöhe. Zuletzt musste sich das Unternehmen 22 Millionen Euro vom Land Sachsen leihen, dem alleinigen Gesellschafter der Manufaktur. Auch KPM macht noch immer Verluste, bei einem Umsatz von zwölf Millionen Euro im vergangenen Jahr. „Alle haben zu kämpfen“, sagt auch Bernd Lietke. „Die Staatlichen haben es vielleicht ein bisschen einfacher, aber sie haben es zugleich auch schwerer als Private wie wir.“

Schwerer hat es KPM, weil eigenes Geld in dieses Stück Kulturgut fließt. Einfacher, immerhin, weil auch der Inhaber der Porzellan-Manufaktur, Jörg Woltmann, Bernd Lietke weitgehend freie Hand lässt.

Das Porzellan wird KPM nicht retten

Für den Geschäftsführer heißt das zunächst: reden, reden, reden. Das kann er gut, das geht sogar über Porzellan, wenn man für einen Moment mal die klassischen Service, die sie hier so haben, Kurland, Berlin, Urbino, außen vor lässt. Und auch die üppige Malerei, für die KPM ebenfalls noch immer steht. Man muss dafür von Jörg Woltmanns Büro mit den holzvertäfelten Wänden, den dicken Büchern, den kunstvollen Figuren in den Regalen und dem insgesamt ehrwürdigen Eindruck, ins Nebenzimmer laufen, dort, wo Bernd Lietke arbeitet. Es ist schockweiß. Glastisch, USM-Haller-Regale, an der Wand ein Kunstdruck: Friedrich der Große von Andy Warhol.