Mode & Design

Stilikone Inès de la Fressange: „Plastik ist over“

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Sie hat das Gespür für Stil: das französische ehemalige Topmodel und Autorin Inès de la Fressange, die Inkarnation der Parisienne.

Stilikone Inès de la Fressange im Interview…

Madame de la Fressange. Lassen Sie uns zuerst über Napoleons Schuhe sprechen.

Napoleons Schuhe? C’est funny! Nach denen wurde ich noch nie gefragt.

Über den Siegeszug Napoleons durch Europa ist zu lesen, dass ein Teil seines Erfolges auf die bequemen Stiefel seiner Soldaten zurückzuführen sei – ein Vorteil gegenüber den schlechter ausgerüsteten Gegnern.

Sie haben bestimmt recht. Natürlich waren bequeme Schuhe für die Kriegsführung essentiell. Ganz anders als in der Mode, wo Komfort bislang eine untergeordnete Rolle spielt. Stiefel der Art habe ich tatsächlich einmal im Musée de la chaussure in Südfrankreich gesehen. Schwarze Stiefel, toll geformt. Ich weiß noch, dass ich dachte, die sind eigentlich perfekt.

Welche Macht haben Schuhe heute?

Ich bin mit einer Nanny groß geworden, die mir erzählte, dass sie als Kind barfuß zur Schule gehen musste. Die nackten Füße waren für mich ein Symbol dafür, dass ihre Familie sehr arm war. Es ist kein Zufall, dass Menschen, die plötzlich zu Geld gelangen, als Allererstes Schuhe kaufen. Noch vor Autos und Häusern. Viel später folgt dann Kunst. Schuhe können viel über einen Menschen verraten, über seinen sozialen Status oder die Identität.

Was verraten Ihre Schuhe über Sie?

Dass ich in der Modebranche arbeite. (Sie zeigt ihre Füße, die in flachen funkelnden Trekkingsandalen stecken.) Meine Sandalen sind mit Strass besetzt – wer sonst würde so etwas tagsüber anziehen? Ich hoffe außerdem, dass sie zeigen, dass ich nicht in der Vergangenheit stehengeblieben bin. Ich trage einen Look aus Blazer, Bluse und eine weite Hose. Früher hätte man dazu klassische Heels à la Saint Laurent kombiniert.

Heute lassen sich verschiedene Modestile miteinander mixen.

Mode ist da, um zu stören. Schuhe können in dieser Hinsicht einen ganzen Look verändern. Kombinieren Sie ein feines Musselinkleid zu High Heels, dann wirken Sie mondän. Aber probieren Sie das gleiche Kleid doch mal zu Biker Boots! Es ist wichtig, das Offensichtliche zu vermeiden. Letzten Endes lernt man in der Mode, Kleidung nicht zu respektieren. Das ist natürlich ein Paradox.

Sie sind im vergangenen Jahr sechzig geworden. Gibt es einen Schuh, den man ab einem bestimmten Jahrgang nicht mehr tragen sollte?

Selbst eine alte Lady wie ich kann immer noch der Frivolität verfallen. Warum auch nicht hin und wieder eine Tasche oder ein hübsches Paar Schuhe kaufen? Man sollte das Interesse an Neuem nicht verlieren. Meistens stellt sich doch eher die Frage, wie man was trägt. Wenn ich meine Strasssandalen zu einem Minirock und einem „Punk is not dead“-T-Shirt kombinieren würde, sähe das jämmerlich aus.

In den Achtzigern waren Sie das erste Topmodel, das einen Exklusivvertrag unterschrieb – bei Chanel. Einige Jahre lang arbeiteten Sie als Karl Lagerfelds Muse. Es heißt, Sie hätten ihn zum ein oder anderen Look inspiriert.

Viele Menschen glauben, ich hätte ihn auf neue Ideen gebracht. In Wahrheit war ich diejenige, die aus der Position der ersten Trägerin heraus versucht hat, seine gewaltige Kreativität zu zügeln. Manchmal sagte ich zu ihm: „Hör zu, Karl, das ist genug. Du musst dem Ganzen nicht noch ein Detail hinzufügen.“ Er ist ein unglaublicher Designer. Keiner kennt die Geschichte der Mode und des Kostüms besser als er. Allerdings interessiert er sich meiner Ansicht nach mehr für Kleidung als für Schuhe. Selbst wenn er auf dem Laufsteg verrückte Dinge zeigt, wie transparente Plastikstiefel. Bei mir ist es eben genau andersherum. Ich trage fast jeden Tag eine weiße Jeans und ein dunkelblaues Jackett – gut gemacht, sind das Basics, die immer funktionieren. Mit Schuhen und auch Handtaschen lässt sich Abwechslung in den Look bringen.