Gesellschaft

Interview mit Feridun Zaimoglu: „Ich mag das schön Anzuschauende anschauen“

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Was unförmig ist, nachgeplappert, ungelenk, abgepaust, wird goutiert: „Nur die versklavte Schönheit wird zugelassen. Wir haben es auch in der Kultur mit einem Tüv zu tun.“

Der deutsche Schriftsteller Feridun Zaimoglu im Gespräch über die Mormonenbärte junger Männer, nicht epilierte Augenbrauen und die Teilung zwischen Geist und Kleid.

Herr Zaimoglu, eine französische Kosmetikerin sagte einmal, ein gutes Buch helfe der Schönheit manchmal mehr als jede Creme. Macht Lesen oder Schreiben schön?

Ich kann nicht in allgemeinen Begriffen sprechen. Ich spreche über mich, um nicht mit allgemeiner Weltkennzeichnungs-Prosa zu kommen. Das Schreiben macht Falten und eine zerfurchte Stirn. Das Schreiben sorgt für Geheimratsecken, so dass man dann die Haare geradezu vom Rücken bis in die Stirn feudeln muss. Das Schreiben ist für mich immer mit Überwindung, mit Selbstauslöschung verbunden. Ich muss es leider so dramatisch sagen. Es ist in jeder Hinsicht ein körperlicher Akt. Eine schöne Erlösung darf man da nicht erwarten. Es ist eine gute Arbeit, die mich komischerweise auch verjüngt, mir aber auch sehr zusetzt.

Was ist aber schön daran?

Wenn es gelingt, eine Geschichte zu erzählen. Nicht die Formulierung. Nicht die harte Recherche. Nicht das Blendwerk. Sondern wenn es mir gelingt, eine schöne Spur zu legen, die nicht meine Spur ist. Dann empfinde ich es als schön. Aber äußerlich: Man muss da nur näher herangehen, dann sieht man Krater und Narben in meinem Gesicht.

Vielleicht sind die ja das Schöne.

Ja. Die rühren daher, dass es im Zuge des Schreibens einen Seelenausschlag im doppelten Sinne des Wortes gibt. Ausschlag bedeutet die Geschichte am Ende einer Recherche. Und das erfahre ich auch körperlich. Ein bisschen schön ist es, das Schreiben, und ein bisschen schön macht es auch. Aber ich bin verlegen, weil ich Schönheit immer in Zusammenhang mit Frauen bringe. Eine Frau ist schön. Aber dieser Reifegrad der Schönheit kann nicht übertragen werden auf Tätigkeiten, auf Dinge.

Was diese Kosmetikerin meinte, war wohl letztlich die Vorstellung von einer Einheit von Körper und Geist. Oft wird hierzulande aber die äußere Schönheit dem Geist eher gegenübergestellt. Jemand, der sich geistig anspruchsvoll betätigt, befasst sich besser nicht mit dem Körper oder den Kleidern. Stimmt das noch so?

In manchen Bezirken der Kultur scheint es tatsächlich so zu sein. Eine Dichterin sagte zu mir einmal: „Weißt du, was passiert, wenn sich vor eine Jury zwei Autoren stellen? Der eine hat dieses etwas fransige, verlebte Äußere. Der andere sieht ordentlich aus und hat sich, weil er lebenslustig ist, auch etwas dabei gedacht, was er anzieht. Ich sage es dir: Die Jury wird sich gegen den lebenslustigen Schreiber entscheiden.“ Also, dieses Vorurteil lebt immer noch.

Woher mag das rühren?

Diese Gespaltenheit ist nichts weiter als eine sehr dämliche Idee. Das kommt davon, wenn Männer glauben, sie müssten sich als Archäologen betätigen. Und graben und graben und graben. Da ist zwar nichts. Aber dann erfinden sie etwas. Nämlich den Geist. Haha. Oft genug habe ich mit eigenen Augen gesehen, dass ein Entscheid, der als objektives Urteil verkauft wurde, nichts weiter als ein subjektiver Eindruck war – beziehungsweise ein Vorurteil. Und das lebt immer noch in der Kultur. Ich stelle auch mit Erschrecken fest, dass seit Jahren in der deutschen Gegenwartsprosa eher der Institutsjargon gepflegt wird. Und Herzsätze, Herzverrücktheit, Ausbruch, Glut werden verworfen. Ich übersetze das Schöne hier in das Ungebärdige, in das Ungestüme, in das Nicht-Formatierte. Das Format ist leider eigentlich unförmig, ungelenk, abgepaust, nachgeplappert, tausendmal gelesen. Das wird goutiert. Nur die versklavte Schönheit wird zugelassen. Wir haben es also heute auch in der Kultur mit einem Tüv zu tun.

Gerade für Sie dürfte das alles schwierig sein. Denn Sie scheinen auf Ihr Äußeres Wert zu legen. Sie tragen meist Schwarz, haben Ketten, Armbänder und Ringe. Haben Sie das Gefühl, dass Sie dafür manchmal beäugt werden?