Unternehmen

„Ordentliche Schippe drauf“: Regierung kündigt Großes an in der Künstlichen Intelligenz

• Bookmarks: 4


Forschungsministerin Anja Karliczek spricht mit dem Roboter Pepper auf der Internetkonferenz re:publica.

Deutschland muss mehr tun, wenn es um Künstliche Intelligenz geht. Die Forschungsministerin kündigt einen Aktionsplan an. Führende Wissenschaftler sind längst alarmiert.

Die Bundesregierung will die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) energisch vorantreiben. „Wir werden bei KI eine ordentliche Schippe drauflegen“, kündigte Forschungsministerin Anja Karliczek an. Und fügte hinzu, dass sie bereits Maßnahmen ergriffen hat: „Gerade habe ich vier neue Forschungszentren für maschinelles Lernen gestartet.“ Dabei geht es um einen zweistelligen Millionenbetrag für entsprechende Labore in Berlin, Dortmund/St. Augustin, München und Tübingen.

Das ist der derzeit besonders angesagte Bereich innerhalb der KI. Er basiert darauf, dass immer schnellere Rechner immer größere Datenmengen verarbeiten, Muster erkennen und Vorhersagen machen, die bislang nicht möglich waren. Die dahinterstehenden Software-Modelle orientieren sich an der unterstellten Funktionsweise des menschlichen Gehirns.

Künstliche Intelligenz gilt als Schlüsseltechnologie dieses Jahrhunderts. Fachleute gehen mehrheitlich davon aus, das Maschinen, die menschenähnliche Entscheidungen treffen können, Arbeitsprozesse massiv verändern werden. Ein besonders anschauliches Beispiel ist das autonome Fahren: Unternehmen in Europa, Amerika und China arbeiten an Roboterautos, die einmal in normalen Verkehrssituationen ohne menschliche Hilfe fahren können sollen.

„Wir arbeiten an einem Aktionsplan für KI, denken dabei über neue Clusterstrukturen und auch über mehr KI-Professuren nach“, sagte Karliczek. Mit Clustern ist die Vernetzung von Unternehmen, Hochschulen und anderen Akteuren gemeint. Ziel ist, einerseits die Kräfte zu bündeln und andererseits attraktiver für Investoren und Fachkräfte zu werden.

Erste konkrete Schritte sollen in zwei Wochen abgestimmt werden. Während eines Treffens im Kanzleramt, das für den 18. Mai geplant ist, gehe es auch darum, die Kompetenz im KI-Bereich zu bündeln. Vertreter der Wirtschaft und der Wissenschaft kämen dann zusammen, sagte die CDU-Politikerin.

Bedenken führender Wissenschaftler, Europa drohe in der Künstlichen Intelligenz den Anschluss zu verlieren, teilt die Ministerin nicht. „Wir sind in der Grundlagenforschung und in der anwendungsorientierten Forschung zu KI schon sehr lange unterwegs.“

Abwanderung von Wissenschaftlern nach Amerika

Ende April hatten führende europäische KI-Forscher in einem offenen Brief, über den FAZ.NET zuerst berichtete, davor gewarnt, dass China und die Vereinigten Staaten wesentlich mehr Geld in Künstliche Intelligenz investiere als Europa. Zu den Unterzeichnern zählen etwa Bernhard Schölkopf vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Zoubin Ghahramani von der Universität Cambridge und Max Welling von der Universität Amsterdam. Sie regen einen länderübergreifenden Forschungsverbund an („European Lab for Learning & Intelligent Systems“, Ellis).

Die Forscher heben dabei hervor, dass eben nicht (mehr) nur amerikanische Spitzenfakultäten gute Angebote machen, sondern gerade auch Unternehmen wie der Tech-Konzern Alphabet (Google) Talente anheuern und ihnen ermöglichen, breit an den Grundlagen des Faches zu forschen. „Wir sind überrascht worden davon, wie sehr ein Unternehmen wie Google seinen Forschern echte Grundlagenarbeit inklusive freier Publikation der Ergebnisse ermöglicht“, sagte Matthias Bethge, Neurowissenschaftler in Tübingen und ebenfalls Unterzeichner des Briefes.

„Unternehmen wie Google verfügen über Rechenleistung und vor allem viele tolle Daten, die wir an den Unis schlicht nicht haben“, stellte Gerhard Lakemeyer, Präsident der europäischen KI-Forschervereinigung EurAI und Informatikprofessor an der Universität Aachen, fest. „Der Brain Drain findet statt: Die Leute gehen in die Vereinigten Staaten, weil sie dort riesige Gehälter bekommen und eine tolle Umgebung für Wissenschaftler.“

Hilfe für kleine und mittelgroße Unternehmen

Wolfgang Wahlster, der das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) leitet, findet die Situation deutlich weniger dramatisch. „Ich kann nicht erkennen, dass gute Spitzenforscher nicht genügend Möglichkeiten haben, ihre Forschungen finanziert zu bekommen“, sagte er in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Ministerin Karliczek bekräftigte ihrerseits: „Wir haben in Deutschland das umsatzstärkste KI-Forschungszentrum weltweit.“ Sie räumte gleichwohl ein, dass Deutschland jetzt „ein bisschen schneller werden“ müsse. Dies gelte auch für den Sprung von der Entwicklung neuer Anwendung zur wirtschaftlichen Nutzbarkeit. „Wir merken ja, dass gerade beim Transfer, bei der Umsetzung innovativer Produkte, der Druck mächtig zunimmt und dass jetzt sowohl die Vereinigten Staaten als auch China viel Geld reinstecken.“

Steuerliche Forschungsförderung könne hier helfen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollten zu eigenen Forschungsaktivitäten animiert werden. Ziel sei es auch, zur Gründung von Start-Ups zu animieren.

Das im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD festgeschriebene deutsch-französische KI-Zentrum nimmt hingegen noch keine Konturen an. Die Standortfrage stelle sich noch nicht, erklärte die Ministerin. „Im Moment gleichen wir erst einmal ab, wo stehen wir denn und wo macht denn jetzt eine Zusammenarbeit Sinn?“

Gerade im KI-Bereich stelle sich die Frage, ob es sinnvoll sei, ein Zentrum zu schaffen. „Vielleicht ist im Bereich der KI eine breitere Streuung der gesamten Forschung genauso sinnvoll, weil bei KI keine Rieseninfrastruktur gebraucht wird.“

Bedenken hat die 47 Jahre alte Politikerin, wenn es um die gesellschaftlichen Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz geht. „Aber – und das ist meine große Sorge – den Begriff KI, der macht vielen Menschen Angst.“ Deswegen müsse ein ethischer Rahmen für Künstliche Intelligenz entwickelt werden. „Diese Regeln müssen wir uns jetzt erst gemeinsam geben, damit nicht Dinge aus dem Ruder laufen. Es ist immer noch die Maschine für den Menschen da und nicht umgekehrt.“