Weltraum

Das Ende von Tiangong 1: Der Himmelspalast stürzt auf die Erde


Radaraufnahme der chinesischen Raumstation „Tiangong 1“. Zu diesem Zeitpunkt war die Raumstation noch etwa 270 Kilometer über der Erde.

Die havarierte chinesische Raumstation „Tiangong 1“ befindet sich im Sinkflug. In Kürze wird sie in die Erdatmosphäre eintauchen. Der früheste Zeitpunkt des Wiedereintritts ist nun wohl Montag am frühen Morgen.

Die vor zwei Jahren außer Kontrolle geratene chinesische Weltraumstation „Tiangong 1“ (Himmelspalast) wird nun voraussichtlich zwischen Ostermontagmorgen um 1.25 Uhr deutscher Zeit und Montagnachmittag (2.April) in die Erdatmosphäre eintreten und darin zum größten Teil verglühen. Das hat das Büro für Raumfahrtrückstände am Europäischen Satellitenkontrollzentrum Esoc in Darmstadt bekanntgegeben, das Flugbahn und Höhe der führerlos kreisenden Raumstation überwacht und fortwährend aktuelle Prognosen für den Wiedereintritt auf ihrer Homepage veröffentlicht. Der Grund, warum sich das Ereignis gegenüber früherer Ankündigungen nach hinten verschiebt, sei, dass die Aktivitäten der Sonne derzeit geringer ausfalle als ursprünglich angenommen. Dadurch heize sich die obere Atmosphäre nicht so stark auf. Weil damit die die Dichte der Luftmoleküle nicht so hoch sei wie gedacht, verlängere sich die Verweildauer von Tiangong 1 im All.

Rund 3,5 Tonnen an Material würden nicht verglühen und fielen als Schrott auf die Erde. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen von den herabfallenden Teilen getroffen und verletzt würden, sei äußerst gering, sagt Holger Krag, Leiter des zur europäischen Raumfahrtbehörde Esa gehörenden Büros.

Deutschland, Österreich und die Schweiz außer Gefahr

Wann genau die chinesische Raumstation in die Erdatmosphäre eintreten wird, können die Fachleute in Darmstadt zurzeit immer noch nicht sagen. Auch nicht, wo genau die nicht verglühten Trümmerteile auf der Erdoberfläche niedergehen. Zu groß sind noch die Unsicherheiten der Prognosen. Aus der Geometrie der aktuellen Flugbahn können Krag und seine Kollegen zumindest das betroffene Gebiet eingrenzen.

Demnach werden die Fragmente in einem Streifen herabstürzen, der sich geographisch zwischen 43 Grad nördlicher und 43 Grad südlicher Breite erstreckt. Auf dem 43. Breitengrad liegt etwa Marseille. Damit bestünde für Deutschland, Österreich und die Schweiz keine Gefahr, getroffen zu werden.

Aber ein Großteil der Erdoberfläche könnte betroffen sein. Die potentiellen Absturzgebiete bestünden zum überwiegenden Teil aus Ozeanen, Wüsten und unbewohnten Regionen, so dass keine großen Schäden zu erwarten sind. Zudem fielen nicht alle Trümmer auf einen Fleck, sondern verteilten sich auf eine Schleppe von 1000 bis 1200 Kilometern, erklärt Krag.

Die Wahrscheinlichkeit, von einem Trümmerteil verletzt zu werden, sei so hoch wie die Möglichkeit, von einem Blitz zweimal in einem Jahr getroffen zu werden. Es sei auch fraglich, ob jemand überhaupt Teile des „Himmelspalasts“ auffinden wird. Und wenn ja, wird er sie vermutlich für gewöhnlichen Schrott halten. Denn die herabfallenden Trümmer hinterlassen anders als Meteoriten keine Krater.

Ab 100 Kilometer Höhe wird es kritisch

Die 8,5 Tonnen schwere und zehn Meter lange „Tiangong 1“ war am 29. September 2011 ins All geschossen worden. Es war die erste Raumstation Chinas. Mehrere unbemannte und bemannte Raumschiffe der „Shenzhou“-Reihe hatten an ihr angekoppelt. Zweimal verbrachten Taikonauten jeweils mehrere Tage an Bord. Seit Ende Juni 2013 kreiste die Raumstation unbewohnt in einer mittleren Höhe von 370 Kilometern um die Erde. Ihre Geschwindigkeit betrug 27 000 Kilometer pro Stunde. Im März 2016 musste die chinesische Raumfahrtbehörde einräumen, keinen Funkkontakt mehr mit „Tiangong 1“ zu haben. Die Raumstation ließ sich von da an nicht mehr steuern. Damit bestand auch keine Möglichkeit mehr, die Raumstation kontrolliert in die Erdatmosphäre zu manövrieren und sie möglichst über dem Meer zum Absturz zu bringen. Auf diese Weise entsorgt die Esa gezielt ihre ausgedienten erdnahen Satelliten.

Im Laufe der vergangenen zwei Jahre hat die führerlose „Tiangong 1“ beständig an Höhe verloren. Der Grund sind Luftmoleküle, die auf die Raumstation treffen und sie abbremsen. Der letzte vollständige Umlauf wird vermutlich bei einer Höhe von rund 100 Kilometern enden. Durch die Dichte der Atmosphäre wird die Raumstation dann so stark abgebremst, dass sie viele Einzelteile zerfällt. Diese erhitzen sich so stark, dass der größte Teil davon schmilzt und verdampft. Nur Komponenten aus Titan und Edelstahl mit einem hohen Schmelzpunkt überstehen den Wiedereintritt in die Atmosphäre und fallen auf die Erde. Weil der Aufbau der chinesischen Raumstation nicht genau bekannt ist, rechnet man mit 20 bis 40 Prozent Schrott, die vom Himmel fallen. Das wären 3,5 Tonnen Material.

Auch wenn es sich bei „Tiangong 1“ um ein recht großes Objekt handelt, ist der Absturz für Krag und seine Leute in Darmstadt Routine. Im Büro für Raumfahrtrückstände laufen die weltweiten Beobachtungsdaten zu „Tiangong 1“ und anderen führerlos im Orbit kreisenden Objekten zusammen, die internationale Raumfahrtagenturen täglich sammeln. Bis zu 80 Tonnen Raumfahrtschrott stürzen schätzungsweise jedes Jahr unkontrolliert auf die Erde.