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Infotainment bei Volkswagen: Diese Geste bleibt klein

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Der VW Golf hat jetzt Online-Anbindung und Gestensteuerung

Im VW Golf und Tiguan kann der Fahrer jetzt wischen und wedeln. Mit einer ruhigen Hand bedient man das neue Discover Pro.

Kleine Gesten können viel bewirken, bewirbt Volkswagen die Gestensteuerung des zum Jahresbeginn überarbeiteten Golf 7. Sie kommt jetzt auch im neuen Tiguan zum Einsatz, aber die Geschichte hinter der Technik ist älter: Auf der Computermesse CES hatte der Konzern erstmals 2015 eine Touch-Studie präsentiert. Hier ließ ein Wischen mit der Hand in Richtung Frontscheibe das Schiebedach schließen, andere Gesten sorgten für die Sitzverstellung oder die Feinjustage der Klimaanlage. Die Technik arbeitete mit einer stereoskopischen Kamera im Fahrzeugdach.

Dass Gestensteuerung die Zukunft des Infotainments im Auto ist, darf man indes getrost in Zweifel ziehen. Wie bei der Sprachsteuerung gibt es das Problem der Variabilität von Eingaben. Was der eine als Geste zum Schließen des Fensters begreift, ist für den anderen die Einstellung der Lüftungsdüse. Standards für Gesten fehlen. Zudem bleibt das Repertoire beschränkt: Ein Navigationsziel oder eine Rufnummer kann man wohl kaum mit Gesten erfassen. Allerdings gibt es auch Pluspunkte der Technik: Statt mit dem Finger auf kleine Menüschaltflächen zu zielen, kommt man mit einer großzügigen Wischbewegung einfacher zum Ziel, die Ablenkung ist geringer.

Wir haben uns die Gestensteuerung im Golf 7 und im Tiguan angesehen. Das Infotainmentsystem Discover Pro für 2500 Euro ist teuer, hat aber wirklich alles mit dabei: Doppeltuner, DVD-Laufwerk, 32 Gigabyte SSD-Festplatte, Spracherkennung, Online-Dienste und nicht zuletzt auch Apple Carplay und Android-Auto. Mit diesem Spitzenprodukt zeigt Volkswagen, dass sie dem Audi ziemlich nahe kommen können: Wie in den neueren Modellen der Konzerntochter gehört nämlich die wunderbare volldigitale Cockpitanzeige dazu, sie heißt bei Volkswagen Active Info Display und kann vielfältig konfiguriert werden. Die Auflösung beträgt 1440 × 540 Pixel.

Tachometer und Drehzahlmesser können unterschiedliche Zusatzinformationen aufnehmen, ihre Darstellung ist konfigurierbar – und sie rücken, wie im Audi, nach außen, wenn die Kartendarstellung der Navigation in üppiger Breite erscheinen soll. Mit Hilfe der Lenkradtasten erfolgt die Bedienung, fast könnte man auf den Bordmonitor verzichten, so umfangreich ist die Funktionalität. Der Bordmonitor wiederum löst mit 1280 × 640 Pixel auf und bietet eine Diagonale von 24 Zentimetern. Die Oberfläche besteht aus Glas, es gibt keine einzige mechanische Taste und keinen Drehsteller, nicht einmal für die Lautstärkeregulierung. Nähert sich die Hand der Anzeige, erscheinen Menüs – und man kann gegebenenfalls mit Gesten arbeiten. Das wird mit einem kleinen Symbol angezeigt. Erkannt werden Gesten in der Horizontalen, etwa um von einem Radiosender zum nächsten zu springen oder durch Menüs zu blättern. Die vom System erkannte Wischgeste wird akustisch bestätigt. Das alles ist nicht viel, und es ist nicht revolutionär. Naheliegendes, wie etwa eine Drehbewegung der Hand zur Lautstärkeeinstellung, funktioniert nicht.

Allerdings ist Discover Pro in seinen Details, der Funktionalität und Bedienung so überzeugend, dass die Gestensteuerung nur ein Sahnehäubchen auf einem ohnehin sehr guten Infotainmentsystem ist. Erstmals bietet Volkswagen einen konfigurierbaren Startbildschirm an. Dank Car-Net kommen Echtzeit-Verkehrsdaten ins Fahrzeug, es gibt Online-Suchen, etwa nach Sonderzielen oder Parkplätzen und ein opulentes Untermenü mit Nachrichten. Die einzelnen Schlagzeilen werden angezeigt, und mit einem Fingertipp lässt sich die ganze Nachricht lesen. Aber es fehlt eine Vorlesefunktion. Die Internetverbindung wird entweder über das eigene Mobiltelefon hergestellt oder über eine fest im Fahrzeug installierte Sim-Karte. Ein Jahr lang lassen sich die Online-Dienste unentgeltlich nutzen.

Die Navigation bleibt, wie bei den Vorgängermodellen des Discovers, ein verlässlicher Gefährte mit klaren Hinweisen, einfacher Bedienung und jetzt besseren Verkehrsnachrichten. Staus und Störungen lassen sich in Ampelfarben auf die Darstellung der Hauptverkehrsstraßen projizieren, zu Beginn werden die besten Alternativrouten gleich mitberechnet. Zudem lernt das System die eigenen Strecken, dergleichen hat man bereits bei Land Rover und Jaguar gesehen. Die Kartendarstellung mit Google Earth sieht nett aus, bringt aber keinen erkennbaren Zusatznutzen. Eher schwach bleibt die Spracherkennung zur Zieleingabe, sie bietet zwar einige Raffinessen wie die Suche nach Navigationszielen in den Telefonbuchkontakten. Es fehlt aber an jener Variabilität für Eingaben, wie sie andere Oberklassesysteme bieten.

Im Telefonmenü verbergen sich ebenfalls einige Extras. Darunter nicht nur die Option, Fotos des Anrufenden aus dem Telefon zu übernehmen, sondern auch eine SMS-Funktion, die allerdings mit einem iPhone nicht nutzbar ist. Neue Nachrichten tippt man ein oder wählt aus Textbausteinvorlagen. Was nicht funktioniert, ist das Diktieren von SMS, wie im Audi. Erstmals gesehen: Cam-Connect erlaubt die Übertragung von Standbildern der Go-Pro-Kamera Hero 4 auf das Display, das dann wie ein zweiter Rückspiegel zeigt, was sich hinten im Fahrzeug abspielt. Noch nie hatte Volkswagen ein so leistungsfähiges und gutes Infotainmentsystem.

Im Blick auf Audi und andere Hersteller bleiben die Unterschiede zur Oberklasse jedoch sichtbar. Der Gewinn des neuen Discover Pro ist nicht die Gestensteuerung, sondern es sind die Premium-Verkehrsinformationen und das faszinierende digitale Cockpit. Wer jenseits der Vollausstattung auf den Cent achtet, kann die Pakete wie Car-Net oder App-Connect einzeln buchen und ein günstiges Navi wie Discover Media für weniger als 600 Euro wählen, muss dann allerdings das Bordsystem mit Radio namens Composition Media für 440 bis 940 Euro ebenfalls bestellen.