Leben & Gene

Tiergärten: Hinter dem Gitter die ganze Welt

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Festschmaus im Tierpark Friedrichsfelde in Berlin: unverkaufte Weihnachtsbäume werden an die Elefanten verfüttert.

Zoologische Gärten sind für manche Tierart der letzte verbliebene Lebensraum. In Berlin existiert eine solche Arche Noah gleich zweimal.

Das Schloss Friedrichsfelde leuchtet an diesem nassgrauen Wintertag geradezu. In zartem Weiß-Rosa erstrahlt im Berliner Osten, was nach dem Zweiten Weltkrieg erst als Flüchtlingsheim, dann als Ferienlager und provisorischer Verwaltungssitz diente, bevor es Museum und Veranstaltungsort wurde. Doch den frühklassizistischen Bau lassen wir links liegen, ziehen an den Freigehegen mit Moschusochsen und seltenen Hirschen vorbei in Richtung Affenhaus. Dort erwartet uns nebst Silberäffchen, Weißhandgibbon, Mongozmaki und Rotscheitelmangabe eine neue Ausstellung zum Thema Artenschutz, die mit dem Menschen hart ins Gericht geht. Dargestellt wird er als todbringende Naturkatastrophe, ähnlich einem Vulkanausbruch oder Meteoriteneinschlag. „Gejagt. Vertrieben. Ausgestorben. Seit dem Jahr 1500 sind allein knapp 100 Säugetierarten für immer verschwunden“, wird klargestellt. Zum Beispiel das Quagga und der Beutelwolf. Und für das Ende der Goldkröte sind wir ebenfalls verantwortlich.

Schon auf dem Weg zählt Christian Kern, der stellvertretende Zoologische Leiter vom Tierpark Berlin, die Gründe auf, warum Fauna und Flora weltweit zunehmend unter Druck stehen. Ganze Lebensräume gehen verloren, weil sich der Homo sapiens stark vermehrt und ausbreitet, natürliche Flächen und Wälder für sich beansprucht, sie rodet und als Viehweide, Ackerland oder Energiequelle nutzt. Als ausgewiesener Allesfresser vertilgt er heute einfach viel zu viel Fleisch und schreckt noch immer nicht vor dem Verzehr von Bushmeat oder einer Trophäenjagd zurück. „Das Wachstum der Menschheit beeinflusst alle anderen Arten“, sagt Kern, deshalb gewinne ihr Schutz von Jahr zu Jahr mehr an Bedeutung.

Berlin als Heimat für Giraffen und Tiger

Zoos würden dabei eine wichtige Rolle übernehmen, indem sie unter anderem Platz für Reservepopulationen bedrohter Spezies bieten und durch Zuchtprogramme für Nachwuchs- man nennt das im Fachjargon „ex situ“-Erhaltung. Deshalb finden nicht nur Rothschild-Giraffen, Bawean-Hirsche, Sumatra-Tiger oder Schneeleoparden in Ost-Berlin eine Heimat. Manche der im Tierpark aufgepäppelten Exemplare werden sogar irgendwann in die Freiheit entlassen. Was für Bartgeier dann die Alpen oder Cevennen sind, ist für Wildpferde die Mongolei- Marmelenten reisen, wie so viele Berliner, nach Mallorca.

Der Tierpark Friedrichsfelde im Bezirk Lichtenberg gilt mit seinen 160 Hektar als größter Landschaftstiergarten Europas. Die weitläufige Anlage beherbergt mehr als 9000 Tiere, die übers Jahr gerechnet 1,3 Millionen Besucher anlocken. Hier existieren nach Inventur 790 Arten. Akut vom Aussterben bedrohte sind darunter, aber auch weniger gefährdete. Derzeit betreut man zum Beispiel Asiatische und Afrikanische Elefanten, Uhus, Eis- und Schwarzbären, Tüpfelhyänen, Brillenpinguine, Wisente und Lemuren, wohingegen auf Menschenaffen schon seit geraumer Zeit verzichtet wird. Von weiteren Spezies will man sich in Zukunft ebenfalls trennen, um den verbleibenden mehr Raum und bessere Bedingungen zu bieten.

Heute bilden Zoo, Tierpark und Aquarium in Berlin eine Einheit. Doch vor dem Fall der Mauer standen die Zoologischen Gärten in West und Ost in jeweils staatstragender Konkurrenz zueinander. Man kämpfte um Neubauten, seltene Arten wie Pandas, internationales Ansehen und Kontakte, aber vor allem um die Gunst der Besucher. Der Autor Jan Mohnhaupt hat die Geschichte in seinem Buch „Der Zoo der Anderen“ (Carl Hanser Verlag, 2017) nacherzählt. Das war mehr als nur irgendeine der zig Schlachten im Kalten Krieg, ausgetragen am Schauplatz Berlin.