Leben & Gene

Erbgutanalyse: Yetis sind auch nur Bären

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Kann man schon mal mit einem Yeti verwechselt werden: der Braunbär

DNA-Analysen können nicht nur Evolutionsstudien stützen – manchmal entzaubern sie auch hartnäckige Mythen, wie in diesem Fall eines weltbekannten Hochgebirgsbewohners.

Wo die Natur unheimlich, gar bedrohlich daherkommt, scheint sie häufig von mythischen Wesen bevölkert. Im Himalaja und im Hochland von Tibet ist es ein stark behaartes Geschöpf, von imposanter Statur, aber doch menschenähnlich. Dieser sagenhafte Bewohner des Hochgebirges ist als „Yeti“, mancherorts auch als „Chemo“, „Mheti“ oder „Bharmando“ bekannt. Hier und da angeblich gesichtet, soll er neben vergänglichen Fußspuren im Schnee gelegentlich auch Handfesteres zurückgelassen haben, Haare oder Überreste seiner Verdauung beispielsweise. Wissenschaftler um Tianying Lan von der University at Buffalo, New York haben kürzlich einige dieser Beweisstücke molekulargenetisch unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass alle von wohlbekannten Tierarten stammen.

Gemeinsam mit Kollegen aus Frankreich, Norwegen, Pakistan und Singapur analysierten die Forscher jeweils Überreste der Erbsubstanz DNA, wobei sich ein angeblicher Yeti-Zahn, den das „Messner Mountain Museum“ zur Verfügung gestellt hatte, als Zahn eines Hundes entpuppte. Knochen, Haare und Exkremente, die ebenfalls aus Tibet stammten, ließen sich der dort heimischen Unterart des Braunbären zuordnen. Als Braunbär erwies sich auch ein rätselhaftes mumifiziertes Tier aus einem Kloster in Ladakh – allerdings einer anderen Unterart, die nur im Westen des Himalajas heimisch ist („Proceedings of the Royal Society B“). Eine angebliche Yeti-Hand, aufbewahrt in einem Kloster in Nepal, wurde hingegen als Pfote eines Schwarzbären identifiziert.

Die Ergebnisse der DNA-Analysen stützen somit die Hypothese, dass der Yeti-Mythos auf Begegnungen mit Bären beruht. Wenn sich diese Raubtiere auf ihren Hinterbeinen aufrichten, zeigen sie schließlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Menschen. Braunbären, die sich anders als Schwarzbären weit ins Hochgebirge wagen, sind wohl das plausibelste biologische Pendant des sagenumwobenen Yetis. Hauptsächlich ging es dem Forscherteam allerdings nicht um populäre Mythen, sondern um die Evolution der verschiedenartigen Bären, die sich im Himalaja und im Hochland von Tibet tummeln.

Besonders gut für einschlägige Studien taugt das vergleichsweise winzige DNA-Molekül der Mitochondrien, zumal diese als Kraftwerke fungierenden Bestandteile in den meisten Zellen zahlreich vorhanden sind. Anders als bei der Identifizierung unterschiedlicher Arten und Unterarten genügt es allerdings nicht, nur kleine Schnipsel der Erbsubstanz zu begutachten. Die Mitochondrien-DNA musste jeweils komplett sequenziert werden. So entdeckten die Wissenschaftler, dass der im nordwestlichen Himalaja heimische Isabellbär (Ursus arctos isabellinus) erstaunlich früh eigene Wege gegangen ist: Schon vor rund 660 000 Jahren, zu Beginn der zweiten von insgesamt vier Eiszeiten, haben seine Urahnen wohl den Kontakt zu anderen Braunbären verloren. Vermutlich trennten damals eiszeitliche Gletscher diese Bären von jenen, deren Nachfahren später weite Teile von Nordamerika, Asien und Europa bevölkerten. Charakteristisch für den Isabellbär ist ein recht helles, rötlich braunes bis sandfarbenes Fell. Lang und dicht, schützt es so gut gegen Kälte, dass die Tiere auch mit dem Klima im Hochgebirge zurechtkommen.

Der Tibetische Braunbär (Ursus arctos pruinosus), der im Hochland von Tibet und im südöstlichen Himalaja zu Hause ist, trägt ein dunkleres Fell mit einem markanten weißen Kragen. Von den anderen Braunbären, die Nordamerika und Eurasien bevölkern, trennte er sich erst vor etwa 340 000 Jahren. In der langen Warmzeit zwischen der zweiten und der dritten Eiszeit hat er sich offenbar ins Hochgebirge aufgemacht. Dort streift er auch heutzutage umher, ähnlich wie der Isabellbär.

Der Asiatische Schwarzbär (Ursus thibetanus) bevorzugt dagegen die Bergwälder tieferer Lagen. Das gilt auch für die im Himalaja heimische Unterart (Ursus thibetanus laniger), die von Pakistan bis Bhutan einen schmalen Streifen am Rand des weltweit höchsten Gebirges bevölkert. Als die Warmzeit zwischen der zweiten und der dritten Eiszeit begann, hat der Asiatische Schwarzbär anscheinend schon bald diesen neuen Lebensraum erobert: Vor schätzungsweise 480 000 Jahren verlor er den Kontakt zu anderen Populationen des Asiatischen Schwarzbären. Von ihnen unterscheidet er sich nicht nur durch einen kleineren weißen Fleck auf der Brust, sondern auch durch ein längeres, dichteres Haarkleid. Es erlaubt ihm, in Höhen von bis zu 3300 Metern über dem Meeresspiegel vorzudringen.

Die „International Union for the Conservation of Nature“ (IUCN) listet sowohl die Braunbären als auch die Schwarzbären im Himalaja als gefährdete Arten. Aus gutem Grund: Zum einen nimmt die Zahl der Bären dort ab, weil ihr Lebensraum zunehmend zerstört wird, zum anderen droht Gefahr von Jägern und Wilderern. Herauszufinden, wie es um die Populationsstruktur und genetische Vielfalt der unterschiedlichen Bären steht, ist nach Einschätzung der Forscher unerlässlich, um diese imposanten Tiere wirksam schützen zu können.