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Steinmeier zu Weihnachten: „Wir können Vertrauen haben“

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Eine Kerze für die Hoffnung: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue

Zähe Regierungsbildung, vernachlässigte Regionen, Angst vor dem Ungewissen: Bundespräsident Steinmeier versteht die Verunsicherung vieler Bürger. Doch gerade ihnen will er Zuversicht geben – und wirbt für Zusammenhalt und Engagement.

In seiner Weihnachtsansprache hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angesichts der schleppenden Regierungsbildung um Vertrauen in den Staat geworben. „Ich versichere Ihnen: Der Staat handelt nach den Regeln, die unsere Verfassung für eine Situation wie diese ausdrücklich vorsieht, auch wenn solche Regeln in den letzten Jahrzehnten nie gebraucht wurden“, sagte Steinmeier. „Deshalb: Wir können Vertrauen haben.“

Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen von Union, FDP und Grünen hatte sich Bundespräsident gegen Neuwahlen ausgesprochen und die Parteien zur Gesprächsbereitschaft aufgefordert. Die SPD erklärte sich daraufhin trotz großer Bedenken zu Verhandlungen mit der Union über eine Regierungsbildung bereit, die Sondierungen beginnen im Januar.

Es müsse „nicht alles Unerwartete uns das Fürchten lehren“, sagte Steinmeier. „Das gilt auch für Regierungsbildungen, die in ungewohnter Weise auf sich warten lassen.“ Deutschland ist inzwischen so lange nach einer Bundestagswahl ohne neue Regierung wie noch nie zuvor.

Bedrohliche Stille

Der im Februar zum Bundespräsidenten gewählte Steinmeier wünschte den Menschen in Deutschland in seiner ersten Weihnachtsansprache einen „Augenblick der Stille zwischen den Jahren“. Doch mit Rückblick auf seine ersten Monate im Amt sagte er: „Es gibt eine Stille, die bedrohlich werden kann.“

Er sei viel in Deutschland unterwegs gewesen und habe dabei auch Orte kennengelernt, in denen es keine Tankstelle oder Lebensmittelgeschäfte mehr gebe, die Gaststätte geschlossen sei und „die Wege zum Arzt immer weiter werden und die letzte Busverbindung eingestellt ist“, sagte Steinmeier. „Solche Orte gibt es zu viele, im Osten wie im Westen unseres Landes.“ Für die dort Gebliebenen, sei das Leben schwer geworden. „Und ich kann verstehen, dass die Menschen dort unzufrieden sind, sich sogar abgehängt fühlen.“ Steinmeier ermunterte die Betroffenen jedoch, ihre Orte nicht aufzugeben.

Er habe aber Menschen kennengelernt, „die nicht hinnehmen, dass Leere sich breitmacht“, so der Bundespräsident. „Solche Menschen, die ich in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ebenso getroffen habe wie in Bayern und Niedersachsen, solche Menschen machen Mut – und sie verdienen Ermutigung. Mehr noch: Sie verdienen Unterstützung durch die Politik.“ Denn die Beispiele im Kleinen würden wichtig in den großen Zusammenhängen. „Sie zeigen uns: Wir sind den Verhältnissen nicht ausgeliefert.“ Ohnmacht und Entfremdung seien im Großen und im Kleinen zu überwinden, wenn die Menschen Verantwortung übernähmen.

Wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit

„Wir sind ein Land geblieben, in dem wirtschaftliche Vernunft ebenso wie soziale Gerechtigkeit als Leitprinzipien für Politik gelten“, unterstrich Steinmeier. „Und wir sind ein Land, das die Kraft und den Willen hat, Zusammenhalt zu bewahren und das Zusammenwachsen weiter zu befördern.“ Für beides gebe es weiterhin viel zu tun. Steinmeier dankte den Krankenpflegern und -schwestern, Polizistinnen und Polizisten, Soldatinnen und Soldaten – „allen, die überall dort ihren Dienst tun, wo sie gebraucht werden“.

Der Bundespräsident richtete seinen Weihnachtsgruß ausdrücklich auch an die Menschen in Deutschland, die nicht in der christlichen Tradition aufgewachsen seien, die einer anderen oder gar keiner Religion angehörten. „An alle, die heute in unserem Land den besonderen Moment dieses Festes erleben. Lassen Sie uns aufeinander Acht geben“, sagte Steinmeier.