Essen & Trinken

Gute Gastgeberin?: Warum Angela Merkel immer Kaffee ausschenkt

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Auch beim Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung griff Angela Merkel selbst zur Kaffeekanne

Wenn Presse und Firmenchefs über Besuche im Kanzleramt berichten, beeindruckt vor allem eins: Angela Merkel schenkt den Kaffee selbst ein. Steckt dahinter ein Trick?

Wenn Angela Merkel im Büro Gäste hat, bietet sie ihnen Getränke an. Wer Kaffee will, bekommt von der Bundeskanzlerin persönlich eingeschenkt. Eigentlich nur eine kleine Geste – aber die hat es in sich. Das erkennt man daran, wie die Gäste davon erzählen.

Journalisten der „Welt“ besuchten kurz vor der Bundestagswahl die Kanzlerin: „Angela Merkel, perfekte Gastgeberin, schenkt Kaffee ein.“ Redakteure der „ADAC-Motorwelt“ erlebten ungefähr zur selben Zeit dasselbe: Merkel „schenkt dem Gast eine Tasse Kaffee ein“. Wenige Tage vor der Wahl kam auch Fußballspieler Philipp Lahm, für die „Bild am Sonntag“. Am Anfang habe Merkel Lahm die Architektur des Kanzleramts erklärt, so die Zeitung, „bevor sie Lahm einen Kaffee einschenkt“. Ist das ein Trick, damit kurz vor der Wahl nochmal alle sehen, wie nett die Kanzlerin ist?

Nein, Angela Merkel gießt ihren Gästen schon seit vielen Jahren Kaffee ein. Im Jahr 2016 vermerkte ein Klatschmagazin: „Angela Merkel, blauer Blazer, schlichte Kette, schenkt am Konferenztisch ihres Büros der Besucherin selbst Kaffee ein. Ganz liebenswürdige Gastgeberin.“ Ein Jahr zuvor freuten sich Münchner Journalisten: „Kaum Smalltalk, keine langen höflichen Floskeln, Zeit ist knapp – aber immerhin schenkt die Bundeskanzlerin persönlich Kaffee aus an ihrem Besprechungstisch.“

2014: „Sie schenkt selbst Kaffee ein und kommt sofort zur Sache.“ 2013: „Angela Merkel wirkt beim Interview sehr entspannt und schenkt allen erst einmal Kaffee ein.“ 2012: „,Kaffee oder Tee?‘, fragt Merkel, hat die Kaffeekanne aber schon in der Hand. Dann also Kaffee.“ 2011: „Die Bundeskanzlerin empfängt blendend gelaunt in ihrem Amtszimmer, sie schenkt selber den Kaffee ein und ist zu Scherzen aufgelegt.“ Und so weiter? Ja. 2006, die „Bild“-Zeitung war zu Gast: „Bundeskanzlerin Angela Merkel serviert in ihrem Büro im Kanzleramt Kaffee.“

Vielleicht ist die Bundeskanzlerin einfach freundlich?

Also ein Trick, um Journalisten zu beeindrucken? Auch nicht. Amerikanische Firmenchefs, die im Kanzleramt zu Besuch waren, schwärmen davon, dass die Kanzlerin selbst zur Thermoskanne greife. Und nicht nur im Kanzleramt selbst. Fotos zeigen Merkel, wie sie 2011 in Brüssel dem damaligen griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou aus einer Pump-Thermoskanne Kaffee zapfte. Oder wie sie 2015 dessen Nachfolger Alexis Tsipras, wieder in Brüssel, aus einer silbernen Kanne bediente. Auf einem Bild sieht man Tsipras – mit voller Tasse –, wie er die Kanzlerin – sie hält noch die Kanne – so anstrahlt, als hätte sie ihm gerade sämtliche Schulden erlassen.

Könnte es sein, dass die kleine Geste gar kein Trick ist, sondern einfach freundlich und klug? Angela Merkel ist die mächtigste Frau der Welt. Das macht sie einschüchternd. Für Gespräche, die beiden Seiten was bringen sollen, ist es schlecht, wenn eine Seite eingeschüchtert ist.

Merkel will nicht Gesprächskönigin sein, sondern Gesprächspartnerin. Für ausgiebigen Smalltalk zum Auftauen hat sie aber keine Zeit und wahrscheinlich auch keine Lust. Sie schenkt Kaffee ein, die normalste Sache der Welt. Manchmal sitzt sie bloß am dichtesten dran an der Kanne, dann ist es einfach praktisch.