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Spitzenkoch mit Anfang Dreißig: Wie schmeckt es beim jüngsten Zwei-Sterne-Koch Deutschlands?

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Der jüngste Zwei-Sterne-Koch Deutschlands: Tristan Brandt in der Küche des Gourmetrestaurants „Opus V“

Tristan Brandt mag keine Umwege – schon gar nicht auf seinem Weg in die Riege der besten deutschen Köche. Mit welchen Riesenschritten er diesem Ziel näher kommt, kann man in seinem Mannheimer Restaurant „Opus V“ bestaunen.

Acht Jahre war der Bub, als er zum ersten Mal den Hocker an den Herd rückte, um daheim beim Kochen in die Töpfe schauen zu können, zwölf war er, als er seiner Mutter und zehn ihrer Freundinnen ein dreigängiges Geburtstagsmenü servierte. Mit sechzehn begann er seine Kochlehre, mit zwanzig schmiss er den Fleischposten bei Harald Wohlfahrt, mit achtundzwanzig wurde er nach akribisch ausgesuchten Stationen in berühmten Häusern selbst Küchenchef. Ein Jahr später bekam er den ersten Michelin-Stern, drei Jahre später war er der jüngste Zwei-Sterne-Koch Deutschlands, und das Ende vom Lied ist noch nicht gesungen. In der Geometrie gibt es keine Steigerung von Geradlinigkeit, in der Gastronomie schon: Sie heißt Tristan Brandt und ist die direkteste denkbare Verbindung zwischen Wunsch und Wirklichkeit, ein Spitzenkoch zu werden.

Für Oscar Wilde ist Ehrgeiz die letzte Zuflucht des Versagers. Der gute Mann hatte nie das Vergnügen, bei Tristan Brandt zu essen und einen Koch von Anfang dreißig kennenzulernen, der bei aller Zielstrebigkeit nie das Maß und trotz aller Höhenflüge nie die Bodenhaftung verloren hat. Dabei kommt Brandt nicht nur sein geerdeter Charakter als Rheinhesse zugute, sondern auch die Tatsache, dass er in Mannheim kocht, einer Stadt, die nicht unbedingt ein Synonym für Glamour ist. Im sechsten Stock des Modehauses Engelhorn hat er sich mit dem wohlwollenden Segen dessen Besitzers sein Gourmetreich namens „Opus V“ eingerichtet, zeichnet nebenbei für die gesamte Engelhorn-Gastronomie mit fünf Restaurants – darunter ein weiteres mit einem Stern – und drei Bars verantwortlich, kümmert sich en passant um Frau und kleinen Sohn und findet wundersamerweise auch noch die Muße, so brillant zu kochen, als wäre das sein einziges Tagesgeschäft.

Schon die Amuse-Bouches zeigen exemplarisch, woher Tristan Brandt kommt und wohin er will: Er kombiniert Sepia und Aal mit Sushi-Reis, Nori-Alge, Gurken-Chutney, Teriyaki-Vinaigrette, Togarashi und Jalapeño und macht so der feinen japanischen Vornehmheit mit dem Machismo Mexikos Feuer unterm Kimono. Er gart eine Stabmuschel Sous-vide, serviert sie als Salat mit Apfel und Kohlrabi, streut Algenpulver wie maritimen Feenstaub darüber und stiftet so eine wunderbare Ehe zwischen Erde und Meer. Er schmeckt ein Lachstatar mit fermentierter Reispaste ab, legt ihn auf Gurken-Spaghetti, streut Blüten von Jasmin, Tagetes und Schafgarbe darüber und nobilitiert so ohne angeberischen Aplomb einen Allerweltsklassiker zum würdigen Willkommensgruß seiner Haute Cuisine. Und er lässt uns in diesen drei Miniaturen nicht nur den Einfluss seiner Lehrmeister schmecken – Harald Wohlfahrts Perfektion, Dieter Müllers Opulenz, Jean-Georges Kleins Avantgardismus, Christian Baus Exotismus –, sondern zeigt uns auch den unbedingten Willen, seinen eigenen Weg zu gehen.