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Wie bei Fraport: Wenn das Unternehmen allen gehört

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Der Flughafenbetreiber Fraport gab 1,6 Millionen Mitarbeiteraktien aus.

Aktien für die Mitarbeiter sind seit der Finanzkrise nicht mehr wirklich beliebt. Obwohl die Mitarbeiter ordentlich profitieren können. Jetzt wollen führende deutsche Unternehmen das ändern.

Mit einem spektakulären Aufruf in ganzseitigen Zeitungsanzeigen, genannt „Berliner Appell“, haben sich vor rund einem Monat sechzig Vertreter namhafter deutscher Unternehmen für mehr „Vermögensbildung in Mitarbeiterhand“ ausgesprochen. Die Unterzeichner reichten in alphabetischer Reihenfolge von Nico Baader, dem Vorstandsvorsitzenden der Baader Bank, bis zu Matthias Zieschang, dem Finanzvorstand des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport, ein breites Bündnis also.

Es ging darum, dass die Unternehmensvertreter von der Politik erreichen wollen, dass es großzügigere Steuerfreibeträge geben soll, wenn Mitarbeiter sich an dem Unternehmen beteiligen, in dem sie arbeiten – beispielsweise in Form von Belegschaftsaktien oder sogenannten stillen Einlagen. Auf diese Weise sollte die Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland, die unter anderem als Folge der Finanzkrise deutlich zurückgegangen war, wieder gestärkt werden.

Hoffnungen lagen bei der Jamaika-Koalition

Die Reaktionen aus der Politik auf den Appell waren bislang eher verhalten. Gleichwohl habe man aus allen Parteien Signale, dass das Thema für sie „interessant“ sei, auch wenn es im Moment nicht Gegenstand der Gespräche für die Regierungsbildung sei, sagt Heinrich Beyer vom Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung, der zu den Initiatoren des Appells gehörte. Als „wie gemacht“ galt das Thema eigentlich für eine Jamaika-Koalition: Viele der Unterzeichner konnten sich vorstellen, dass die Mitarbeiterbeteiligung eine moderne Form von marktwirtschaftlicher Altersvorsorge sein könnte, für die sich Liberale genau begeistern könnten wie Grüne und die CDU, die einen entsprechenden Passus sogar in ihr Wahlprogramm aufgenommen hatte.

„Mit der SPD wird das schwerer“, glaubt zumindest der Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer, der sich als Mitglied der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft besonders für dieses Thema einsetzt. Die Initiatoren des Berliner Appells sind gleichwohl guten Mutes.

Steuerfreibetrag in Österreich wesentlich höher

Warum gibt es auf dem Gebiet überhaupt Bedarf? Und worin könnten Risiken bestehen? Offenbar ist in der Finanzkrise die Zahl der Belegschaftsaktionäre in Deutschland zurückgegangen, und das wurde nie ganz aufgeholt. Derzeit soll es weniger als 1 Million Belegschaftsaktionäre geben, früher mal 1,3 Millionen. Zum Teil haben die Unternehmen in der Krise wohl als Sparmaßnahme die Programme zurückgefahren, zum Teil aber haben auch Arbeitnehmer ihre Aktien verkauft.

„Unser Verband und das Deutsche Aktieninstitut bemühen sich seit langem, die Politik wieder dazu zu bringen, sich mit diesem Thema zu befassen“, sagt Mitinitiator Beyer. Die letzte große Diskussion dazu habe es 2007/2008 gegeben, das sei 2009 in das sogenannte Kapitalbeteiligungsgesetz gemündet. Damals wurde der Steuerfreibetrag für Mitarbeiter, die sich an ihrem Unternehmen beteiligen, von 135 auf 360 Euro im Jahr hochgesetzt. „Wir halten diesen Betrag immer noch für zu niedrig, in Österreich etwa liegt er fast zehnmal so hoch“, sagt Beyer: „Wir fordern, man sollte diesen Freibetrag auf mindestens 3000 Euro im Jahr hochsetzen.“

Abhängigkeit der Arbeitnehmer könnte zunehmen

Aus Sicht der Unternehmen sind die Mitarbeiter relativ zuverlässige Anteilseigner – zugleich erhoffen sie sich positive Auswirkungen auf die Motivation. Alle Untersuchungen und Erfahrungen aus der Praxis zeigten, dass Mitarbeiter, die am Unternehmen beteiligt seien, motivierter und engagierter arbeiteten. Befürworter der Mitarbeiterbeteiligung sagen zudem, Belegschaftsaktien seien in Zeiten wie diesen eine bessere Form der Altersvorsorge als Betriebsrenten oder Lebensversicherungen, die an der Rendite festverzinslicher Wertpapiere hingen. Außerdem steckt die alte sozialpolitische Idee dahinter, dass die Gegensätze zwischen Arbeitern und Kapitalisten zu einem Teil aufgehoben werden könnten, wenn die Arbeiter gleichsam zu kleinen Kapitalisten werden.

Genau wegen dieser Verwischung der Rollen waren allerdings die Gewerkschaften nicht immer dafür. Juristisch ist auch die Steuervergünstigung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung anderer Vorsorgemöglichkeiten zumindest nicht unumstritten. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass für Mitarbeiter ein gefährliches Klumpenrisiko entstehen kann, wenn sie nicht nur hinsichtlich ihres Arbeitseinkommens vom Fortbestand eines Unternehmens abhängig sind – sondern auch noch hinsichtlich ihres Vermögens und ihrer Altersvorsorge. „Natürlich ist es wichtig, dass Arbeitnehmer nicht all ihr Geld in das eine Unternehmen stecken“, meint Beyer dazu: „Darauf wird in der Praxis in vielen Unternehmen aber auch geachtet, zum Beispiel mit Obergrenzen.“

Ein Unternehmen, das sich auf diesem Gebiet schon engagiert und deshalb den Appell unterstützt, ist die Fraport AG in Frankfurt. Schon 2001 hatte der Flughafenbetreiber die frühere jährliche Einmalzahlung durch ein Aktienmodell ersetzt. Mitarbeiter können jetzt einmal im Jahr wählen, ob sie 300 Euro brutto als Geldleistung bekommen oder 360 Euro in Form von Fraport-Aktien. Dieses Jahr haben sich immerhin 7330 Mitarbeiter oder 67,06 Prozent der Anspruchsberechtigten für die Aktien entschieden. In den vergangenen 16 Jahren habe das Unternehmen so 1,6 Millionen Aktien zum Nennwert von je 10 Euro an die Mitarbeiter ausgegeben. Zumindest in letzter Zeit macht der Aktienkurs ihnen Freude – er stieg im Jahresverlauf von 56 auf 88 Euro.