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Kleinstcomputer für 50 Euro: Rechenzwerge als Medienriesen

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Für den Raspberry PI 3 braucht der Tüftler noch …

Kleinstcomputer für 50 Euro laden zum Basteln ein und jonglieren virtuos mit digitalen Bildern und Tönen. Wir haben zwei unterschiedliche Produkte getestet.

Opas Lötkolben hat ausgedient. Moderne Elektroniktüftler basteln lieber mit handtellergroßen Winzigcomputern, um ihnen erstaunliche Fähigkeiten zu entlocken – etwa den virtuosen Umfang mit digitalen Medien. Ebendiese Zielsetzung im Auge, haben wir uns mit zwei Arten jener Elektronikgattung beschäftigt – dem winzigen Experimentalrechner Raspberry PI 3, der eigentlich nicht viel mehr ist als eine mit ein paar Bauteilen bestückte Platine, und einem Mini-Apparat in einem schmucklosen, schwarzen Flachgehäuse, der ebenso unprätentiös H96 Pro+ 4k heißt. Er repräsentiert eine Großfamilie von Kleinrechnern, die auf Namen wie Z69, KM8P oder M9S hören, zwischen 40 und 60 Euro kosten und alle ganz ähnlich aufgebaut sind: Sie kombinieren flotte Mehrkern-Prozessoren der amerikanischen Halbleiter-Schmiede Amlogic mit dem Android-Betriebssystem und melden sich auf angeschlossenen Bildschirmen mit eigenen Bedienoberflächen.

Der H96 Pro+ zählt zu den stärksten seiner Art: Er beherbergt den jüngsten Amlogic Chip S912, der einen Achtkern-Hauptprozessor mit einer bärenstarken Grafik-Einheit auf einem Silizium-Plättchen vereint. Sie kann über den HDMI-Anschluss Bewegtbilder mit 4k-Auflösung, also mit 3840 × 2160 Bildpünktchen, ausgeben. Damit bietet sich der Rechenzwerg als Spielpartner von Ultra-HD-Fernsehern an. Folglich ist er auch ein bisschen teurer: Zwischen 65 und 70 Euro sind fällig, wenn man den H96 Pro+ samt Fernbedienung, 3 Gigabyte Arbeits- und 32 Gigabyte Massenspeicher, der Android-Version 7.1 und einem Steckernetzteil bei einem Online-Versender ordert.

Ein paar weitere Details zur Ausstattung: Die Grafik-Einheit verarbeitet neben den üblichen Video-Digitalformaten auch die jüngste Kodierung H.265 (auch HEVC genannt), die zu den Fernsehstandards und zur Bluray-Norm für Ultra-HD-Filme gehört. Auch das Antennenfernsehen DVB-T2 verwendet H.265- Mitschnitte von terrestrischen TV-Sendungen kann der H96 Pro+ also wiedergeben.

Über eine Ethernet-Buchse knüpft der Minicomputer Kontakte zum Heimnetzwerk, für die drahtlose Datenübertragung hat er W-Lan und Bluetooth an Bord. So lässt er sich nicht nur mit seiner Infrarot-Fernbedienung, sondern auch mit einer Funktastatur steuern. Ein optischer Digitalausgang kann Audiosignale an einen Verstärker oder einen Recorder senden. Für den Anschluss von Festplatten und Speichersticks halten sich zwei USB-Buchsen bereit, und schließlich: Ein winziger Ladeschlitz nimmt zur Speichererweiterung Micro-SD-Karten entgegen.

Startet der kleine Rechner zum ersten Mal am Bildschirm, überrascht er mit einer Oberfläche, die sich deutlich von den Gesichtern der üblichen Androidtablets unterscheidet. Sie ähnelt eher den Übersichtsseiten von smarten Fernsehern. In der oberen Bildhälfte laden zwei große Schaltflächen zum Netflix- und zum Youtube-Gucken ein, die Google-Play-Fläche führt ins Universum der Android-Apps. Kleinere Schaltflächen starten den Browser und den Videoplayer oder öffnen Ordner für Videospiele und Musikdateien. Eine Symbolleiste am unteren Bildschirmrand lässt sich individuell mit Programmen belegen – etwa mit den Apps der TV-Mediatheken oder zum Beispiel auch mit der Steuer-App für ein Sonos-Musiksystem.

Bis alles reibungslos funktioniert, sind allerdings noch ein paar Einstellungsarbeiten nötig. Dazu gehört die Anpassung an die Bildschirmauflösung, die Wahl von Systemsprache und Einsatzregion sowie die Sprache und die Belegung angeschlossener Tastaturen – damit alle Sonderzeichen funktionieren und ein getipptes „Z“ nicht plötzlich als „Y“ erscheint. Der Rest ist Spaß pur: Der Zugriff auf Mediatheken oder Amazon-Videos, auf den Browser, die Wiedergabe von TV-Aufnahmen – alles klappt in einem Tempo, das wir von smarten Fernsehern so nicht kennen: Der kleine Rechenknecht arbeitet deutlich schneller und flüssiger, einfach weil er weit mehr Rechenleistung unter der Haube hat als übliche Flachbildschirme.

Auch Bilder und Töne gibt Kodi wieder

Vor allem beherrscht er, anders als die meisten vernetzten Fernseher, den souveränen Umgang mit der App Kodi, einer Art Schweizer Taschenmesser für die Verwaltung und die Wiedergabe von digitalen Medien aller Art. Ursprünglich für Microsofts Spielekonsole entwickelt, hieß diese Software früher Xbox Media Center, kurz XBMC. Nachfolger Kodi läuft heute auf praktisch allen Plattformen – von Windows über Mac, iOS, Android und Linux bis hin zum Raspberry PI. Die App kontaktiert zum Beispiel Festplatten im Heimnetzwerk, auf denen Videoarchive lagern, bietet ihre Titel auf dem Bildschirm zur Auswahl an und spielt sie auf Wunsch ab.