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Adventskalender im Test: Viel Masse – etwas Klasse

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Patissière Kristiane Kegelmann (Mitte) und Chefköchin Sophia Rudolph vom Berliner Restaurant Panama (3.v.l.) inmitten vieler Adventskalender-Tester.

Adventskalender sehen meist nur gut aus, aber die Füllung ist nichts Besonderes – glauben Sie das? Es geht auch anders, hat zumindest Gastrokritiker Thomas Platt für FAZ.NET herausgefunden.

Der Adventskalender ist erwachsen geworden. Das liegt aber nicht allein daran, dass es ihn mit Gewürzmischungen bestückt gibt, mit speziellen Müslis, Bier, Nagellack, Parfum und anderen Dingen, mit denen Kinder wenig im Sinn haben. Inzwischen hat sich der klassische Süßigkeiten-Kalender in Richtung Praline verschoben und damit zum mündigen Konsumenten. Es kann gut sein, dass für den Trend neben der Kompensation der jetzt verringerten Sonneneinstrahlung auch die Erinnerung an die liebevoll von Hand gefertigten Geschenksäckchen verantwortlich ist, die dem Kaufkalender vorausgingen.

In den Adventsauslagen von Kaufhäusern, Malls und Märkten jedenfalls herrscht eine heftige Konkurrenz der einschlägigen Hersteller, bei der die einfache Schokolade allmählich ins Hintertreffen zu geraten droht. Das hat nicht nur mit Weihnachten zu tun. Offensichtlich nutzt man die Saison, um Werbung für Sortimente zu machen, die dann übers Jahr vermehrten Umsatz versprechen. Deshalb gehören Kompositionen, die Anis, Kardamom, Nelke, Piment und Zimt einschließen, eher zu den Ausnahmen.

Gleichzeitig kommt im Kauf von differenzierten Schokoladeprodukten ein gesteigertes Bewusstsein für Qualität und Genuss zum Ausdruck, das über die weihnachtliche Gefühlswelt und ihre Empfänglichkeit für süße Gaben hinausweist. Der in zurückhaltendem Retrodesign gehaltene Adventskalender „Frohe Weihnachten“ von Clement Chococult, dessen Pralinen mit Hilfe der Schweizer Spitzencouverture Felchlin hergestellt werden, ist dafür das beste Beispiel. Die Klasse dieses Zeugnisses höchster Patisseriekunst wird selbst von solch überdurchschnittlichen Angeboten wie „Peters Süsser Advent“ oder „Caffarel Calendario dell’avvento“ nicht erreicht.

Kindern hingegen begegnet man weniger aufmerksam. Wie eh und je begleiten schiere Süße, Figuren aus billiger Pressschokolade und andere Formate, die man von den Lockangeboten rund um die Supermarktkassen her kennt, den Countdown für Heiligabend. Der gestanzte rote Christbaum „Celebrations“ etwa versammelt einfach die Mars-Kollektion im Puppenstubenformat. Dass Bounty, Dove, Milky Way, Snickers und Konsorten so lieblos daherkommen können, liegt auch am kleinen Preis. Der macht auch „Kinder Mini Mix“ attraktiv, die etwas buntere Offerte aus dem Hause Ferrero. Auch wenn es sich beim Öffnen eines Türchens lediglich um das handelt, was als kleine Freude bezeichnet wird, sollte man die Bedeutung des täglichen Rituals nicht geringschätzen.

Deshalb begaben wir uns mit einer jungen Köchin und einer bildenden Künstlerin, die drei Jahre als Patissière-Postenchefin bei Demel in Wien gearbeitet hat, auf die Suche nach Kalendern, die dem Anlass Würde verleihen. Zusammen mit Sophia Rudolph und Kristiane Kegelmann prüften wir Exemplare mit reiner Schokoladenfüllung sowie solche mit einem überwiegenden Schokoladenanteil, denn der Wettlauf um die Gunst des Publikums führt zu immer neuen Derivaten – vermutlich auch, weil die Schmackhaftigkeit der bloßen Schokolade sehr zu wünschen übriglässt.

Sophia Rudolph, deren frische Kompositionen das Restaurant „Panama“ innerhalb kürzester Zeit zu einer festen Größe in Berlin haben werden lassen, ließ sich selten zu Lob herbei: Allzu groß war doch der Abstand der Kalenderfüllungen zu den Werken dieser Könnerin. Wenn sie ans Ende ihres Menüs ein nuanciertes Dessert wie „Gebackene Banane, Café-Karamell und Kardamom“ setzt, dann ist es wahrscheinlich, dass es über den Dezember hinaus im Gedächtnis haften bleibt.