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EU-Afrika-Gipfel: Europäer wollen Migranten aus Libyen ausfliegen

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Spontane Krisenrunde: Macron und Merkel mit Vertretern der Afrikanischen Union

Berichte über Sklaverei in Flüchtlingslagern haben die afrikanische Politik aufgeschreckt. Deutschland und Frankreich nutzen den Schock für einen Aktionsplan zur Verteilung der Migranten.

Das Thema Sklaverei zog sich durch fast alle Wortmeldungen, vor allem die afrikanischen Politiker griffen es auf. Ob nun der Gastgeber aus der Elfenbeinküste sprach oder der Präsident der Afrikanischen Union, ob das Staatsoberhaupt von Tschad das Wort ergriff oder sein Kollege aus Ruanda: Fast immer fiel das Wort in dem Kongresszentrum unter der bunten Glaskuppel, die von der afrikanischen Aufbruchstimmung nach der staatlichen Unabhängigkeit in den sechziger Jahren kündete. Es beherrschte spätestens seit Mittwochnachmittag, als die offiziellen Arbeitssitzungen begannen, die Agenda des EU-Afrika-Gipfels in Abidjan, der größten Stadt nicht nur der Elfenbeinküste, sondern ganz Westafrikas.

Vor ungefähr zehn Tagen hatte der amerikanische Sender CNN das Publikum mit einem Video aufgeschreckt. Es zeigte, wie junge Männer aus anderen afrikanischen Ländern in Libyen wie Sklaven verkauft wurden. Sie konnten das Geld für ihre Schlepper nicht bezahlen, die sie in das nordafrikanische Land gebracht hatten, weiter nach Italien ging es nun auch nicht mehr. Die europäische Öffentlichkeit nahm die Meldung eher am Rande zur Kenntnis, in den meisten afrikanischen Staaten führte sie zu einer Schockreaktion. Sie rührte an das tiefste Trauma des afrikanischen Kontinents, als dessen Bewohner von den Kolonialmächten verschleppt und als Arbeitskräfte verkauft wurden. Das Wort zeigte in Afrika mehr Wirkung als in Deutschland die am Jahresanfang verbreitete Information, in den libyschen Flüchtlingscamps herrschten Zustände „wie im Konzentrationslager“.

Mehr Verantwortung für afrikanische Politiker

Bislang kümmerten sich die übrigen afrikanischen Staaten wenig darum, unter welchen Bedingungen ihre eigenen Staatsbürger auf dem Gebiet des zerfallenen libyschen Staats dahinvegetierten bei dem Versuch, irgendwie übers Mittelmeer zu gelangen. Die Initiative hatten bisher die Europäer ergriffen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel war schon im Frühjahr nach Ägypten und Tunesien gereist, um auf die Verhältnisse im Nachbarland einzuwirken. Vor allem aber hatte der italienische Innenminister Marco Minniti, ein Linksdemokrat, eine rege Reisediplomatie entwickelt. Mit Geld und Gegengeschäften konnte er die lokalen Machthaber davon überzeugen, nicht mehr so viele Flüchtlingsboote aufs Mittelmeer zu lassen. Die Lage der Migranten im Land selbst verbesserte das nicht unbedingt, eher im Gegenteil. Über ihre Zahl gibt es keine verlässlichen Angaben, Schätzungen reichen von 200.000 bis zu 800.000 Personen.

Jetzt aber war die Krise da, die für einen grundlegenden Politikwechsel erforderlich ist, sprich: um die afrikanischen Politiker selbst in die Verantwortung einzubinden. Merkel findet schon lange, dass der Kontinent sein Schicksal stärker in die eigene Hand nehmen muss, im französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat sie neuerdings einen Verbündeten, der sich vom Paternalismus der ehemaligen Kolonialmacht ein Stück weit entfernen will (und zugleich, zum Missfallen der deutschen, die militärische Option ins Spiel brachte). Also riefen die beiden wichtigsten Politiker der EU kurzerhand eine Krisenrunde mit Vertretern der internationalen Organisationen und afrikanischer Staaten zusammen, um über einen Aktionsplan zu beraten.