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Brexit-Verhandlungen: Ohne Qualen geht es nicht

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Die britische Premierministerin Theresa May am Freitag in Brüssel

Theresa May flehte diese Woche in Berlin, Paris und Brüssel um Hilfe bei den Brexit-Verhandlungen. Die Europäer blieben hart. Aber sie gaben sich Mühe, nett zu sein.

Vor einem halben Jahr war Theresa May auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Sie hatte sich für den „harten Brexit“ entschieden, pries das „globale Britannien“, leitete den Austritt aus der Europäischen Union ein und rief sogar Neuwahlen aus. May wollte noch mehr Macht. Als dann Jean-Claude Juncker bei ihr in der Downing Street am Tisch saß und ordentlich Wasser in den Wein goss, schaltete sie auf Durchzug. Keine schlechten Nachrichten, bitte! Sie lebe in einer anderen Galaxie, wetterte der Kommissionspräsident hinterher.

Anfang dieser Woche trafen sich May und Juncker wieder zu einem Abendessen, diesmal in Brüssel. Doch nun war alles ganz anders. May trumpfte nicht auf, sie flehte um Hilfe. Sie redete darüber, welches Risiko sie eingegangen war, als sie kürzlich den harten Brexit-Kurs aufgegeben und um eine Übergangsphase von zwei Jahren gebeten hatte, in der alles beim Alten bleiben soll. Sie erinnerte daran, dass sie sich auch beim heiklen Thema Finanzen bewegt hatte. Und sie ließ durchblicken, dass ihr daheim Freund und Feind im Nacken sitzen und nur darauf lauern, sie zu stürzen. Sie habe keinen Spielraum mehr, sagte May, die Europäer müssten ihn für sie schaffen.

Ängstlich erschien Theresa May dem Kommissionspräsidenten, verzagt und mutlos. Eine Frau, die kaum noch jemandem traut, aber auch nicht zu einem Befreiungsschlag bereit ist. Mays Mimik und ihr Auftreten sprachen Bände. So beschrieb Juncker es später seinen Kollegen. Jeder kann das sehen: Die Premierministerin ist gezeichnet vom Kampf mit ihrer eigenen Partei. Unter den Augen trägt sie tiefe Ringe. Sie sieht aus wie jemand, der nächtelang keinen Schlaf findet. Lachen sieht man sie nur noch selten, klar, für die Fotografen muss es sein. Aber es sieht gequält aus. Früher konnte sich May regelrecht ausschütten vor Lachen, ihr ganzer Körper vibrierte dann. Jetzt bringt sie äußerste Kraft auf, um nicht die Contenance zu verlieren.

In letzter Minute hatte May um den Termin bei Juncker gebeten. Zuvor telefonierte sie mit Kanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Macron. „Charmeoffensive“ nennt man so etwas gemeinhin, aber das passt hier nicht. Es waren Hilferufe. May wusste, dass die Staats- und Regierungschefs nicht bereit waren, ihr am Ende der Woche „ausreichende Fortschritte“ in den Verhandlungen zu bescheinigen. Damit war der Weg versperrt in die zweite Phase der Verhandlungen, wo es um die Zukunft gehen soll. Die Premierministerin wollte wenigstens einen Pfad ebnen: Könnte der EU-Chefunterhändler Michel Barnier nicht ein Mandat für Gespräche über jene Übergangsphase nach dem Austritt bekommen, um die sie gebeten hatte?

EU will über Geld reden

Für May wäre das ein wichtiger Erfolg gewesen. Sie hätte den strengen Verhandlungsplan aufgeweicht. Und sie hätte damit die Unternehmer auf der Insel beruhigen können. Denn die werden mit jedem Tag nervöser, den ein chaotischer, ungeregelter Austritt näher rückt. Mehrere Banken haben schon begonnen, ihre Notfallpläne zu exekutieren, sie mieten Büros in Frankfurt oder Paris, verlagern Geschäftsteile. Andere bereiten sich darauf vor. In der Wirtschaft kann sich niemand auf Hoffen oder Wünschen verlassen. Und als Faustregel gilt: Arbeitsplätze und Produktionsstätten, die erst einmal weg sind, kehren nicht mehr wieder. Zweimal umziehen lohnt sich nicht.

Den Europäern sind die Nöte der Briten nur zu bewusst – sie sind ihr größter Hebel in den Verhandlungen. Deswegen ließen sich Merkel, Macron und Juncker auch nicht erweichen. Alle drei bestanden auf weiteren Fortschritten, vor allem beim heiklen Thema Geld, bevor es direkte Gespräche über die Zukunft geben könne. Man habe den Brexit nicht gewollt und könne nun nicht die Probleme der Briten für sie lösen, heißt es trocken im Kanzleramt. In Paris und Brüssel bekam May nichts anderes zu hören. Die Europäer hatten sich abgestimmt.