Eurokrise

Gastbeitrag: Deutschland sollte mehr Risikoteilung akzeptieren

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EU-Fahne im Wind: Die Ökonomen sehen die derzeitige Erholung zu sehr abhängig von der Geldpolitik der EZB, nötig wäre eine festere Finanzarchitektur.

Die Wirtschaft in Europa wächst wieder. Reformen im Bereich der Bankenunion wurden eingeleitet. Dennoch herrscht Sorge, dass der Euroraum großen Risiken ausgesetzt ist. Ein Aufruf von deutschen und französischen Ökonomen.

Im Euroraum gab es in letzter Zeit erfreuliche Nachrichten: Die Wirtschaft wächst wieder kräftig. Es wurden, vor allem im Bereich der Bankenunion, bedeutende institutionelle Reformen durchgeführt. Weitreichende Wirtschaftsreformen wurden eingeleitet, insbesondere in Frankreich.

Als französische und deutsche Ökonominnen und Ökonomen, die Europa und der Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern zutiefst verbunden sind, haben wir trotz der positiven Entwicklungen Sorge, dass der Euroraum immer noch großen Risiken ausgesetzt ist. Um diesen zu begegnen, ist eine gemeinsame, breitangelegte Reformanstrengung erforderlich. Ansonsten bleibt die Gefahr hoch, dass eine neue Schulden- oder Finanzkrise den Euroraum in einer nicht allzu fernen Zukunft erschüttern könnte.

Der Aufschwung im Euroraum ist aus drei Gründen fragil:

Erstens beruht die Stabilisierung in der Währungsunion zu stark auf der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese hat vor dem Hintergrund einer schwachen Inflation eine expansive Geldpolitik umgesetzt, die zur Erholung der krisengeschüttelten Länder beigetragen hat. Die graduelle Rückkehr zur Preisstabilität bedeutet, dass die EZB ihre expansive Geldpolitik zurückfahren wird und die Zinsen steigen werden. Das könnte diejenigen Länder unter Druck setzen, die ihre Wirtschaft nur zögerlich reformiert und ihre Verschuldung nicht hinreichend abgebaut haben.

Zweitens stellen die Altlasten der globalen Finanzkrise und der europäischen Schuldenkrise noch immer eine Gefahr für die Finanzstabilität des Euroraums dar. Eine besonders schwerwiegende Sorge sind die hohen Forderungen der Banken einiger Mitgliedstaaten gegenüber ihren heimischen Regierungen. Verwerfungen bei heimischen Staatsanleihen werden so umgehend zu Risiken für das gesamte Finanzsystem und die Realwirtschaft.

Drittens haben sich die Instrumente im Euroraum zur Förderung guter Wirtschaftspolitik auf Ebene der Mitgliedstaaten oft als stumpf und ineffektiv erwiesen – insbesondere wenn es darum ging, die Anhäufung von Staatsschulden zu verhindern. Diese Instrumente sind zudem eine Quelle politischer Spannungen. Die Europäische Kommission, welche die Einhaltung der Regeln überwachen soll, wird entweder als zu harsch oder als zu nachgiebig kritisiert.

Glücklicherweise sind sich die französische und die deutsche Regierung der Notwendigkeit einer Reform der Währungsunion bewusst. Informelle Gespräche begannen schon vor der Bundestagswahl, und werden sich in den kommenden Monaten hoffentlich intensivieren. Emmanuel Macron und Angela Merkel haben beide Unterstützung für ein Budget im Euroraum, für einen europäischen Finanzminister oder für einen Europäischen Währungsfonds signalisiert. Leider füllen beide Seiten diese Begrifflichkeiten aber mit sehr unterschiedlichen Inhalten. In seiner Zeit als französischer Wirtschaftsminister hat Macron für ein Budget im Euroraum mit einer eigenen Einnahmequelle plädiert, die „automatisch für Stabilisierung sorgt und es ermöglicht, die Haushaltspolitik auf europäischer Ebene je nach Phase des Wirtschaftszyklus expansiv oder restriktiv zu gestalten.“ Seitdem hat er diese Idee abermals aufgegriffen, allerdings in weniger präziser Form. Merkel denkt hingegen über einen kleinen Fonds nach, der Länder des Euroraums bei der Durchführung struktureller Reformen unterstützt. Zum Europäischen Währungsfonds sind die Vorstellungen ebenfalls unterschiedlich. Die deutsche Regierung möchte den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem Überwacher der Wirtschafts- und Haushaltspolitik der Mitgliedsländer ausbauen. Frankreich will ihn mit mehr finanzieller Schlagkraft ausstatten.