Gesellschaft

Dem Populismus Kontra geben: Was soll ich denn jetzt dazu sagen?


Populistische Parolen, nein danke: Wer nicht weiß wie, kann trainieren, üble Sprüche zu kontern.

Populistische Sprüche und rechtsradikale Parolen sind mitunter selbst im eigenen Umfeld zu hören. Eine Trainerin will zeigen, wie man dem etwas entgegensetzen kann.

Beispiel Bushaltestelle. Auf der rechten Seite wartet eine Frau mit Kopftuch, die sichtbar schwanger ist. Links unterhalten sich zwei Herren in beachtlicher Lautstärke. „Guck dir mal die an“, sagt der eine. „Die hat bestimmt fünf Kinder zu Hause.“ Der andere sagt: „Die kommen alle her, um die Sozialsysteme auszuplündern.“ Was tun?

Die Septembersonne steht schon tief, im ersten Stock eines Hotels an der Spree sind die Deckenstrahler eingeschaltet. Es gibt keine Bushaltestelle. Stattdessen Teppichboden und einen Stuhlkreis in hellem Konferenzgrau, an der Wand steht ein Tisch mit Getränken. Wiebke Eltze verteilt drei Zettel auf dem Fußboden, die sie mit roten Druckbuchstaben beschriftet hat. „Ich will diskutieren“, steht auf dem einen. „Ich will mich positionieren“, auf einem zweiten. Zettel Nummer drei lautet: „Ich ignoriere das.“

Es ist ein Donnerstagnachmittag in Berlin. Die Fachtagung der bildungspolitischen Inititiave „Gesicht zeigen!“ und der Nemetschek-Stiftung ist schon seit langem geplant- ihr Titel „It’s democracy, stupid!“ – „Es ist Demokratie, Dummkopf!“ – ist eine Anspielung auf Bill Clintons erfolgreichen Wahlkampf-Slogan von 1992. Aber nur vier Tage nachdem klar ist, dass die AfD als drittstärkste Fraktion mit mehr als neunzig Abgeordneten in den Bundestag einziehen wird, dreht sich zwei Tage lang alles um die frisch manifestierte Stärke der Rechtspopulisten in Deutschland. Eben noch hat bei einer Podiumsdiskussion eine Grünen-Politikerin dafür plädiert, dass man nicht auf jede Provokation der Bundestagsneulinge einsteigen dürfe, sondern eigene Visionen in den Vordergrund stellen müsse: Sich an der AfD-Agenda abzuarbeiten sei eine Falle. Nach der Kaffeepause nun haben sich die Konferenzteilnehmer auf verschiedene Workshops verteilt.

Schlagfertig sein zum richtigen Zeitpunkt

In dem Stuhlkreis mit Wiebke Eltze sitzen elf Frauen und drei Männer. Pädagogen und Coaches, Profis aus der Jugend- und Flüchtlingsarbeit, Lehrer, ein Bufdi- Teilnehmer aus dem Schwarzwald, aus Köln, aus Ostdeutschland, die jüngsten sind Anfang zwanzig, die ältesten über sechzig. Thema des Workshops: „Argumentieren gegen rassistische, (extrem) rechte und rechtspopulistische Positionen“.

Eine Deutschtürkin erzählt, wie sie von einem sächselnden Zahnarzt auf ihren objektiv nicht vorhandenen Akzent hingewiesen worden sei. „Oft ärgert man sich im Nachhinein, dass man nicht schlagfertig genug war“, sagt die junge Frau. Eine andere berichtet aus dem Kollegium einer Schule von abfälligen Bemerkungen über Schüler aus Zuwandererfamilien. Eine taffe Blonde fühlt sich ohnmächtig, wenn der angeheiratete Polizist in der erweiterten Familie über Flüchtlinge herzieht. Eine erfahrene Sozialarbeiterin ist ratlos, wenn jugendliche Geflüchtete, weil sie das so gehört haben, übereinander sagen: „Ich darf nicht mit dir spielen, weil du stinkst.“

Sprachlosigkeit, Unsicherheit, fehlende Argumente und das doofe Gefühl, nicht den Mund aufgemacht zu haben, aber auch die Enttäuschung und Hilflosigkeit angesichts von Kollegen und Verwandten mit Einstellungen, die einem zutiefst zuwider sind – der Aufstieg der AfD und die wachsende Verbreitung ihrer Positionen kann aus jeder Familienfeier eine Herausforderung machen, aus dem Gang zum Bäcker, dem Plausch mit der Nachbarin oder einem Gespräch in der Kantine. Deshalb hat Wiebke Eltze, Politikwissenschaftlerin und freiberufliche Trainerin bei dem Netzwerk „Gegenargument“, im vergangenen Jahr grüne Bundestagsabgeordnete im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung auf den Straßenwahlkampf vorbereitet. Gerade ist bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Broschüre erschienen, an der sie maßgeblich mitgearbeitet hat: „Haltung zeigen! Gesprächsstrategien gegen rechts“.