Die Gegenwart

Blasphemie-Verbot: Eine Schere im Kopf?

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Willem Dafoe als Jesus mit Dornenkrone in Martin Scorseses Film „Die letzte Versuchung Christi“

In Dänemark stehen die öffentliche Beleidigung von Religionen und die Schändung religiöser Symbole jetzt unter Strafe. Sollte uns das ein Beispiel sein? Oder haben wir nicht längst ein ungeschriebenes Blasphemie-Gesetz, das von islamistischen Terroristen diktiert wird?

Am 30. September 2005 druckte die dänische Zeitung „Jyllands-Posten“ Karikaturen, die bald darauf in der ganzen muslimischen Welt für Unruhen und Aufruhr sorgten: Der aufgebrachte Mob attackierte dänische Botschaften, verbrannte dänische Flaggen und drohte dem Karikaturisten und dem Herausgeber mit dem Tod. Was war der Stein des Anstoßes? In einer Zeichnung wurde unter anderem Mohammed mit einem Turban dargestellt, aus dem eine Bombe hervorragte, er wurde so als Terrorist dargestellt.

Diese Karikatur wurde von zahlreichen europäischen (nicht aber von englischen und amerikanischen) Zeitungen übernommen, darunter auch von dem französischen Satiremagazin „Charlie Hebdo“, einem Blatt mit einer verkauften Auflage von 30 000 Exemplaren, in dem jede Religion, auch der Islam, vor allem aber die christliche, immer wieder auf das Heftigste verunglimpft wird. Am 7. Januar 2015 drangen die Brüder Kouachi in die Redaktionsräume in Paris ein und erschossen kaltblütig zwölf Menschen.

In der Jahresausgabe nach dem Mordanschlag auf die Redaktion veröffentlichte „Charlie Hebdo“ auf der Titelseite einen blutverschmierten, bärtigen Gott mit einer Kalaschnikow auf dem Rücken. Die Bildzeile lautete: „Ein Jahr danach: Der Mörder ist noch immer auf der Flucht.“ Dies wurde in der Vatikan-Zeitung „L’Osservatore Romano“ mit dem Argument kritisiert, die Zeitung verletze die Gefühle der Gläubigen unabhängig von ihrer Religion. „Charlie Hebdo“ vergesse wieder einmal, dass religiöse Führer gleich welchen Glaubens immer wieder Gewalt im Namen von Religion verurteilten: „Gott zu nutzen, um Hass zu rechtfertigen, ist echte Gotteslästerung, wie Papst Franziskus mehrfach gesagt hat.“

Die letztgenannte Karikatur zeigt, dass Blasphemie nicht nur den Islam, sondern überwiegend die christliche Religion betrifft. Antimuslimische Agitation außerhalb der muslimischen Länder ist erst neueren Datums. Den ersten Fall einer derartigen „Blasphemie“ stellte wohl der Roman „Die Satanischen Verse“ von Salman Rushdie von 1988 dar. Ajatollah Chomeini verurteilte den Autor daraufhin in einer Fatwa zum Tode und setzte ein Kopfgeld von sechs Millionen Dollar aus.

Das 20. Jahrhundert sah zahlreiche heftige, auch gewaltsame Proteste gegen blasphemische Bekundungen. So kam es in Paris 1930 nach der Aufführung des surrealistischen Films „Das goldene Zeitalter“ der Spanier Luis Buñuel und Salvador Dalí, in dem ein dekadenter Jesus mit jungen Mädchen eine Orgie zelebriert, bevor sie dann getötet werden, zu Ausschreitungen von Angehörigen der rechtsextremen „Action française“. Der Kinosaal wurde zerstört, eine Ausstellung surrealistischer Bilder attackiert. Fast 60 Jahre später erregte ein anderer Film das Publikum: „Die letzte Versuchung Christi“ von Martin Scorsese. In ihm geht Jesus ins Bordell, seine große Liebe ist Maria Magdalena, eine Hure. Auch diesmal kam es zu gewalttätigen Protesten weltweit, vor allem auch in den Vereinigten Staaten. Der Vatikan rief zum Boykott auf. Auch die deutschen katholischen Bischöfe verurteilten den Film: „In völliger Willkür verfälscht und verzerrt der Film die biblische Gestalt Jesu. Er beleidigt die religiösen Gefühle der Gläubigen.“