Finanzen

Italiener sind verrückt nach „Pir“

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Die Italiener sind diesen Sommer nicht nur nach verrückt nach Eis.

Das Interesse an steuerfreien Fonds übertrifft alle Erwartungen. Wie funktioniert das Instrument zur Mittelstandsfinanzierung?

Sogar der italienische Finanzminister, der sonst so scharf ist auf jeden Kniff für zusätzliche Einnahmen oder zusätzliche Liquidität auf Kosten der Unternehmen, hat sich an einer Stelle großzügig gezeigt oder eben als langfristiger Stratege: Für eine gewisse Art von Finanzanlagen, die in Italien unter dem Kürzel „Pir“ firmieren, müssen die Anleger seit Anfang 2017 keinen Cent an Steuern bezahlen. Normalerweise belegt Italien dagegen Finanzerträge mit einem Steuersatz von 26 Prozent, Erträge aus der Anlage in Staatstitel mit 12,5 Prozent Steuern.

Für die neue, steuerfreie Anlageart unter dem Kürzel „Pir“ kann der Finanzminister daher auch einige Bedingungen stellen: Nach den Regeln für den „piano individuale di risparmio“, einen „individuellen Sparplan“, müssen die entsprechenden Gelder für mindestens fünf Jahre angelegt werden. Von der Gesamtsumme müssen 70 Prozent in Titel angelegt werden, die von italienischen Unternehmen ausgegeben werden oder von Unternehmen aus der EU mit einer Tochterorganisation in Italien. Für die Anlagen in Italien ist wiederum vorgeschrieben, dass 30 Prozent in die Titel von kleinen und mittleren Unternehmen investiert werden, die nicht zu den 40 Werten des Standardindex FTSE Mib gehören. Maximal 30.000 Euro im Jahr und insgesamt bis zu 150.000 Euro dürfen die Italiener in einen Sparplan namens „Pir“ investieren.

„Das ist eine optimale Initiative der Regierung“

Brauchen sie das Geld vorzeitig, müssen sie wiederum Steuern nachzahlen, allerdings ohne Strafgebühren und Verzugszinsen. Das Interesse der italienischen Anleger übertrifft alle früheren Erwartungen. Zuletzt hieß es im Finanzministerium, dass im Jahr 2017 wohl rund 10 Milliarden Euro unter dem Dach der „Pir“Sparpläne angelegt würden, doch italienische Medien spekulieren längst über eine Zielgröße von 12 Milliarden Euro.

Unter den Vorgaben der „Pir“ sind schon drei Dutzend neue Fonds aufgelegt worden, die auf lebhaftes Interesse stoßen. Die niedrigen Zinsen, mit 2 Prozent selbst für zehnjährige italienische Staatstitel, und die Skandale um Verluste von Kleinanlegern mit Bankanleihen machen steuerfreie Erträge mit der neuen Anlageform umso attraktiver. „Das ist eine optimale Initiative der Regierung, die Italiens Wirtschaft auf entscheidende Weise helfen kann“, sagt Massimo Doris, Geschäftsführer von Banca Mediolanum. Damit könnten gleich drei Parteien gleichzeitig profitieren, zum einen der Anleger, zweitens die Unternehmen, die einen besseren Zugang zum Kapitalmarkt erhielten und weniger von Bankkrediten abhingen, drittens auch der Staat, meint Doris.

Er sagt: „Dem Einnahmeausfall der 26 Prozent Steuern stehen schließlich die Vorteile eines wirtschaftlichen Aufschwungs gegenüber, mit mehr Steuereinnahmen von Unternehmen, die dank zusätzlichen Kapitals schneller wachsen, und neuen Einnahmen durch zusätzliche Beschäftigung.“ Der Plan, den kleinen und mittleren Unternehmen durch eine besondere Begünstigung von Investoren zu helfen, war in Italien schon einmal präsentiert worden, im Jahr 2011, doch danach hatte die Regierung des Ministerpräsidenten Mario Monti nie die Ausführungsbestimmungen erlassen. Nun hat der italienische Finanzminister Pier Carlo Padoan dagegen ganze Arbeit geleistet und sich Finanzinstrumente etwa Frankreichs zum Vorbild genommen.

Spekulative Blase auf einem engen Markt vorgebeugt

In Italien führten kleine Unternehmen an der Börse schließlich seit vielen Jahren ein Schattendasein, weshalb wiederum auch das Interesse am Börsengang begrenzt ist. „An dieser Börse will ich mich nicht quotieren“, sagt bisher mancher erfolgreicher italienischer Unternehmer im Hintergrundgespräch. Die italienische Börse in Mailand hat es dementsprechend nie geschafft, hochfliegende Ziele für die Börsennotierung erfolgreicher Familienunternehmen zu erreichen. Derzeit sind nur 321 italienische Unternehmen quotiert. Kleine Namen geraten dabei schnell in Vergessenheit. Denn die beiden staatlich kontrollierten Konzerne Eni und Enel machen allein schon 100 Milliarden Euro an Börsenkapitalisierung aus, von einer gesamten Marktkapitalisierung von gerade 589 Milliarden Euro.

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Weitere staatlich kontrollierte Unternehmen sind zusammen noch einmal 20 Milliarden Euro wert. Insgesamt entfielen Ende Juni auf die 40 Titel des Standardindex FTSE Mib etwa 79 Prozent der gesamten Börsenkapitalisierung. Die restlichen Titel teilen sich insgesamt eine Anlagesumme von 122 Milliarden Euro. Weil der Markt für die kleineren italienischen Titel so eng ist, kommen nun schon wieder Warnungen vor einer Blase. Zudem gibt es Kritik an den neuen Fonds, die zwischen 10 und 25 Prozent Erfolgsprovision verlangen. Dagegen meint Claudio Tosatti vom Fondsunternehmen Anima, die Kosten seien ähnlich wie bei anderen Fonds mit ähnlichem Risiko. Die Strategie des italienischen Finanzministers kann nur langfristig aufgehen, wenn das neue Interesse der Anleger an den „Pir“Sparplänen und wiederum die gestiegene Anzahl spezialisierter Fonds mehr italienische Unternehmer zum Börsengang verleitet. Damit würde einer spekulativen Blase auf einem engen Markt vorgebeugt, zudem wären Italiens Unternehmen weniger von wackeligen Banken abhängig.