Gesellschaft

Wieder gehen – oder für immer bleiben?

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Zurück in die Heimat? Die spanische Flagge weht auf dem Dach der Nationalbibliothek in Madrid.

Im zehnten Jahr der Krise kehren viele Spanier aus Deutschland zurück in ihre Heimat. Andere hingegen wollen für immer hier bleiben. Die Gründe sind auf beiden Seiten oftmals so wahr wie klischeehaft. Eine Spurensuche.

Als Daniel Oblanca Cuellar am 13. Juni 2013 abends um halb neun in Deutschland ankam, war es noch hell, aber die Geschäfte waren schon geschlossen. In Spanien eine unvorstellbare Situation. Also aß Daniel gleich an seinem ersten Tag in der Fremde den Käse und den Jamón, den Schinken, auf, die er für Momente des Heimwehs eingepackt hatte. Paloma Cortés erinnert sich nicht mehr an ihre Ankunft in Deutschland im Oktober 2012. Wohl aber daran, was sie empfand: Lust und Neugier. „Es war mein Moment“, sagt sie fast fünf Jahre später. Sie ist hochschwanger und sitzt auf dem Sofa in der Frankfurter Altbauwohnung, die sie sich mit ihrem deutschen Mann teilt.

Paloma Cortés und Daniel Oblanca haben in León und Madrid Krankenpflege studiert, als die Wirtschaftskrise in ihrem Land begann. Die daraufhin ergriffenen Sparmaßnahmen trafen den Gesundheitssektor besonders hart: Fast 15.000 Pfleger waren 2013 erwerbslos gemeldet. Irgendwann im Lauf des Studiums eröffneten ihnen ihre Professoren, dass sie in Spanien wohl keine Arbeit finden würden. Und so war es auch. Also kamen die beiden nach Deutschland.

Daniel Oblanca hat die Koffer gepackt

Damals hatten sie praktisch keine andere Wahl. Die wirklich große Entscheidung für sie und unzählige andere Spanier steht jetzt an: zurückgehen oder für immer bleiben? „Volver o quedarse?“ Daniel Oblanca hat in diesem Frühjahr seine Koffer gepackt. Paloma Cortés hingegen hat sich entschieden, dauerhaft in Deutschland zu bleiben.

Dabei war es Oblanca, ein schmaler junger Mann mit braunen Haaren, braunen Augen und Holzfällerhemd, der sich anfangs vorstellen konnte, für immer zu bleiben. Dieses Gefühl änderte sich im Lauf der Zeit. In Spanien dauern die Krankenpflege-Schichten sieben Stunden, hier sind es neun. Weil er um sieben Uhr morgens anfing zu arbeiten, ging er zu einer Zeit ins Bett, zu der er in Spanien in den Abend startete. Es fühlte sich so an, als würde sein Leben in Deutschland nur aus Arbeit bestehen. Dazu kamen die Sprachbarriere, die fehlende Sonne, die Sehnsucht nach der Heimat.

47485256 Daniel Oblanca Cuellar hat seine Koffer gepackt. Nach drei Jahren in Deutschland geht es für ihn zurück in die Heimat.

Heute sagt er: „Mit 25 bin ich noch jung, aber ich denke auch an meine Zukunft.“ Die will er mit seiner Familie und mit seinen Freunden verbringen – nicht mit den neuen Freunden, die er in Deutschland gefunden hat, sondern mit denen, die schon sein ganzes Leben lang seine Freunde sind.

Paloma Cortés hingegen wollte anfangs sechs oder acht Monate bleiben, Deutsch lernen, ein bisschen jobben, dann zurückkehren. Es kam anders. „In Deutschland gibt es viele Regeln, und das finde ich toll“, sagt die Siebenundzwanzigjährige. Die Straßen und öffentlichen Plätze seien sauber, im Bus und in der Straßenbahn sprächen die Menschen mit gedämpfter Stimme. Konflikte würden ruhiger ausgetragen. In Spanien sei es ihr zu laut und chaotisch. Sie fühle sich in Deutschland entspannter. Ihre Zukunft sehe sie hier.

Beide haben den Eindruck: Die Wenigsten ihrer Landsleute empfinden wie Paloma. Sie kennen viele Spanier, die zurückgehen, und nur eine Handvoll, die bleiben. Ihre spanischen Freundeskreise in Frankfurt, die von 2013 an immer weiter angewachsen waren, schrumpfen inzwischen. Ein Eindruck, den die Statistik bestätigt: Nach Deutschland kamen 2015, dem letzten Jahr, das die Statistik ausweist, zwar immer noch 23.600 Spanier. Aber es zogen auch 16.400 Spanier aus Deutschland weg, so viele wie seit 1978 nicht mehr.

Warum tun sie das? Liegt es nur an der verbesserten Wirtschaftslage? Immerhin soll die spanische Wirtschaft 2017 um zweieinhalb Prozent wachsen, die Arbeitslosigkeit ist 2016 unter 20 Prozent gesunken. Doch gleichzeitig lag die Jugendarbeitslosenquote auch im Frühjahr 2017 noch bei rund 40 Prozent. Und die meisten Jobs sind befristet und schlecht bezahlt. Auch Daniel Oblanca tritt in seiner Heimatstadt León im Nordwesten des Landes erst einmal eine Vertretungsstelle für sechs Monate an. In Frankfurt hatte er einen unbefristeten Vertrag am Uniklinikum. Bei ihm und vielen anderen geben eher persönliche als wirtschaftliche Gründe den Ausschlag für die Rückkehr.