Gesellschaft

Was, wie heißen Sie?

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Hitler-Portrait beim Festival „Berlin leuchtet“ 2016: Seit Anfang der fünfziger Jahre ist der Vorname Adolf so gut wie ausgestorben.

Bis in seine Jugend hinein hatte unser Autor kein Problem mit seinem Vornamen. Dann aber kamen die irritierten Blicke seiner Umgebung und mit ihnen die Frage: Was hatten seine Eltern sich bloß gedacht?

Adolf mit ph?“ Die freundliche Stimme am Telefon macht gut Miene zum bösen Spiel. Sie will retten, was aber nicht zu retten ist.

„Nein, Adolf mit f.“

Selber schuld, wird sich die Dame am Telefon denken. An ihr lag es jedenfalls nicht. Sie hat ihr Möglichstes versucht, mir eine Peinlichkeit zu ersparen.

Eine andere Stimme am Telefon fragt sicherheitshalber noch einmal nach: „Alfred?“ „Nein, Adolf“, bekommt sie als Antwort. Auch diesmal gab es keine Chance, etwas falsch zu verstehen.

Seit Anfang der fünfziger Jahre ist der Vorname Adolf so gut wie ausgestorben. Ich selbst hatte das zunächst erst gar nicht mitbekommen. Als Kind in der nordhessischen Kleinstadt hat mir kein Mensch aus meinem Namen einen Vorwurf gemacht. Seit ein paar Jahren hieß die Straße, in der meine Eltern wohnten, wieder Brunnenstraße. Adolf-Hitler-Straße, das war jetzt vorbei, sollte vorbei sein. Adolf Hitler war gestern. Mein Vater hatte von der Rückbenennung der Straße gar nichts mitbekommen. Er war ein Spätheimkehrer und kam erst am Nikolaustag 1949 aus der russischen Gefangenschaft.

Als Kind und in meiner Jugend war die Welt noch in Ordnung. Ich lebte ganz unbeschwert, war sogar etwas stolz, dass ich nicht Uwe, Wolfgang oder Peter hieß. Adolf war keiner der üblichen Namen, den es gleich mehrfach in meiner Klasse gab. Es hat lange gedauert – ich war schon 15 oder so –, bis ich mitbekam, dass mit meinem Namen etwas nicht stimmen konnte. Mitte der sechziger Jahre war ich schon in Kassel, um das Bäckerhandwerk zu lernen. In der Stadt, in der Kneipe oder in der Berufsschule tuschelten plötzlich manchmal Leute hinter meinem Rücken oder guckten etwas komisch, wenn ich „Adolf“ sagte.

Der Name Adolf ist althochdeutsch. Er bedeutet Edelwolf. Das ist doch schön. Was will man mehr, wäre da nicht das Politmonster aus Braunau am Inn, das dem Namen bis heute die Unschuld raubt. Kenner der Geschichte denken auch an Adolf Eichmann, was die Sache nicht besser macht. 2006 kamen in Deutschland über 672.720 Babys zur Welt, nur ein einziges wurde (allerdings mit zweitem Vornamen) Adolf genannt.

Am Ende des 19. Jahrhunderts war Adolf sehr geläufig. Besonders in Süd- und Westdeutschland. 1890 stand der Name an dreizehnter Stelle auf der Beliebtheitsskala aller männlichen Vornamen. Namen wie Fritz, Franz oder Emil waren beliebter. Vielleicht dachten die Eltern an Adolf von Knigge, den Aristokraten, der seit Mitte des 18. Jahrhunderts für Anstand und gutes Benehmen steht, oder an Gustav Adolf, den protestantischen König aus Schweden. Auch Adolph Kolping genoss hohen Respekt, vor allem bei Katholiken, die dem sozial engagierten Kirchenmann mit Achtung entgegentraten. „Solche Leitbilder wie Adolph Kolping brauchen wir für die Kirche von heute“, sagte Papst Johannes Paul II. 1991 bei der Seligsprechung, aber er hat damals vermutlich nicht an den kontaminierten Vornamen gedacht.

Die Eltern und ich selbst standen plötzlich unter Anklage

Angesprochen auf meinen nunmehr seltenen Namen wurde ich nie. Das war ein Tabu, das gehörte sich einfach nicht! Eine Art pervertierte Political Correctness, würde ich heute sagen. Erst um die Jahrtausendwende hat sich das Tabu langsam aufgelöst und manchmal ins Gegenteil verkehrt. Plötzlich wurde ich mehr oder weniger frech gefragt, was sich meine Eltern bloß dabei gedacht haben könnten, mir 1951 so einen Namen zu geben. Ich als gestandener Mann und Papa und Mama standen plötzlich unter Anklage.