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Lateinamerikas Börsen sind ein Spielfeld für Mutige

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Er macht die Wirtschaft fit, und sie hilft ihm dabei: Mauricio Macri (r.), Argentiniens Präsident, und Angela Merkel in Buenos Aires.

An den südamerikanischen Börsen geht es weiterhin drunter und drüber. Während Mexiko dem Trump-Schock trotz, gefährdet ein Korruptionsskandal Brasiliens Reformen.

Lateinamerikas Finanzmärkte erweisen sich wieder mal als Spielfeld für wagemutige Anleger mit starken Nerven. Selbst Profis fällt es schwer, Chancen und Risiken abzuwägen, beides gibt es zweifellos. Zuletzt überwogen in der Einschätzung der Anleger offenbar die Risiken. In den letzten vier Wochen gaben die Kurse lateinamerikanischer Aktien gemessen am MSCI-Index für Lateinamerika um rund 4 Prozent auf Dollarbasis nach. Seit Jahresbeginn liegt der Index noch mit knapp 5 Prozent im Plus, hinkt jedoch deutlich gegenüber anderen Schwellenländern, vor allem aus Asien, hinterher. Innerhalb der Region fällt die Performance im Jahresverlauf bisher sehr unterschiedlich aus. Während Mexikos Bolsa den Schock der Wahl von Donald Trump in den Vereinigten Staaten besser als erwartet überwinden konnte, erhielt Brasilien durch neue innenpolitische Turbulenzen im Mai einen Schuss vor den Bug.

Mexikanische Aktien gewannen seit Jahresanfang in Dollar um 23 Prozent an Wert, was vor allem dem Wiedererstarken des Pesos zu verdanken ist. Doch auch die Konjunkturentwicklung Mexikos hält sich deutlich robuster, als Ende 2016 nach der Trump-Wahl befürchtet worden war. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen, in dessen Rahmen Mexiko mehr als 80 Prozent seiner Exporte an den nördlichen Nachbarn liefert, will Trump nicht mehr kündigen, sondern nachverhandeln. Und bis auf den Autohersteller Ford hat kein bedeutendes Unternehmen seine Investitionsprojekte in Mexiko annulliert.

In Brasilien verlief die Entwicklung an der Börse von São Paulo (Bovespa) ausgesprochen positiv – bis Mitte Mai abermals eine Bombe in der nicht enden wollenden Kette von Korruptionsskandalen platzte. Staatsanwälte veröffentlichten den heimlich aufgezeichneten Mitschnitt eines Gesprächs zwischen Joesley Batista, dem Chef des weltgrößten Fleischproduzenten JBS, und dem brasilianischen Staatspräsidenten Michel Temer, in dem sich Temer seelenruhig Batistas Erzählungen von dessen Bestechungsroutine im Umgang mit Richtern und Politikern anhört und den Unternehmer daraufhin nicht etwa anzeigt, sondern zur Fortsetzung entsprechender Aktivitäten animiert. An der Börse brach nicht nur der Kurs von JBS ein. Auch die meisten anderen Standardwerte der Bovespa stürzten ab, ebenso wie der Kurs des brasilianischen Real.

JP Morgan erwartet für 2017 Nullwachstum in Brasiliens Wirtschaft

Der Grund: Die Anleger hatten auf einen Erfolg des Reformprogramms von Präsident Temer gesetzt, das Brasiliens Staatsfinanzen sanieren und einige der strukturellen Wachstumshemmnisse im Steuer- und Arbeitsrecht beseitigen soll. Doch ob Temers politisch und moralisch angeschlagene Autorität noch ausreicht, um die geplanten Reformen der Rentenversicherung und des Arbeitsmarktes durchs Parlament zu bekommen, erscheint nun zweifelhaft. Das Risiko, dass sich die Reformen verzögern und inhaltlich verwässert werden, sei gestiegen, heißt es in einer Analyse der Bank JP Morgan. Sollte die Rentenreform scheitern, werde die Staatsverschuldung in den nächsten zehn Jahren statt auf 80 Prozent sogar auf 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Das könnte die jetzt schon hohen Realzinsen in Brasilien weiter hochtreiben und die ohnehin bescheidenen Wachstumsperspektiven der Wirtschaft zusätzlich eintrüben. Für 2017 erwartet JP Morgan nur noch ein Nullwachstum der brasilianischen Wirtschaft.

Infografik / Argentiniens Aktien liegen vorn

Nach anfänglich dramatischen Einbrüchen haben sich die Kurse von Aktien und Währung Brasiliens zuletzt dennoch wieder gefangen. Gegenüber Jahresbeginn liegt der Bovespa-Index in Dollar sogar noch um 2 Prozent im Plus. Vor allem ausländische Anleger setzen offenbar darauf, dass die Reformen fortgesetzt werden – wenn auch mit Verzögerungen. Auf lange Sicht werde die Tendenz zu einem Fortschritt der Reformen durch die jüngsten Wendungen der Politik nicht verändert, meint Ajay Kapur, Aktienstratege für Schwellenländer bei Bank of America Merrill Lynch. „Es kann sechs Monate, zwölf oder 18 Monate dauern, das wissen wir nicht. Aber wir vertrauen auf die Richtung“ des Reformkurses, darin sei er sich mit der Mehrheit der nicht brasilianischen Kunden der Bank einig.

Lateinamerikas Spitzenreiter ist derzeit die Börse von Argentinien, wo die Kurse in Dollar seit Jahresbeginn um 28 Prozent gestiegen sind. Am Río de la Plata setzen die Anleger auf die von dem liberal-konservativen Präsidenten Mauricio Macri eingeleiteten Wirtschaftsreformen, auch wenn die Konjunktur im Pampaland bisher noch nicht so recht anspringen will. Auftrieb für die bislang umsatzschwache und wenig kapitalisierte argentinische Börse bringt die Erwartung, dass die Bank Morgan Stanley Argentinien in Kürze wieder in ihren wichtigen Schwellenländer-Index aufnehmen wird. Das würde Argentinien für viele institutionelle Anleger wieder salonfähig machen.

Argentinische Staatsanleihen könnten ein Tipp sein

Aufgrund der wenig kapitalmarktfreundlichen Politik der Regierung von Expräsidentin Cristina Kirchner hatte Morgan Stanley Argentinien 2009 zu einem marginalen Markt herabgestuft. Magdalena Brennan von dem Börsenhändler Maxinta warnt indes vor übertriebener Euphorie: „Die Börse ist schon sehr teuer.“ Das Erholungspotential nach dem Entkommen aus der „Kirchner-Hölle“ sei ausgeschöpft. Auch die erwartete Heraufstufung durch Morgan Stanley sei „in den Preisen schon drin“. Wer dennoch auf Argentinien setzen wolle, dem empfiehlt Brennan Aktien des Energiekonzerns Pampa Holding, der Bank Macro oder der Mediengruppe Clarín. Bessere Chancen sieht Brennan indes für argentinische Staatsanleihen. Nach den Wahlen im Oktober seien Maßnahmen zur Eindämmung des Staatsdefizits zu erwarten.

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