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Keine Seele von Rad

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Schick vielleicht, aber unkomfortabel: Das E-Silence Evo von Scott

Dieses Rad trägt seinen Namen völlig zu Recht. Das E-Silence Evo ist das leiseste Elektrorad, das dem Verfasser bislang unterkam. Doch stimmig ist das Fahrrad nicht.

Das Elektrorad E-Silence Evo von Scott ist der schlagende Beweis dafür, dass es gar nicht so einfach ist, ein insgesamt stimmiges E-Bike auf die Räder zu stellen. Es genügt nicht, bei allen Komponenten ganz oben ins Regal zu greifen, wenn es mit der Seele des Rades nicht so recht stimmt. Und der Sitz der Seele ist bei einem Fahrrad nun mal der Rahmen.

Zunächst: Dieses Rad trägt seinen Namen völlig zu Recht. Das E-Silence Evo ist das leiseste Elektrorad, das dem Verfasser bislang unterkam. Dafür sorgen der Antrieb von Brose zusammen mit dem Karbonriemen von Continental, die Automatiknabe Harmony 360 von Nuvinci und die Reifen (Schwalbe Marathon Supreme) – lauter exzellente Zutaten. Wenn der Motor sich in der Ebene nicht besonders anstrengen muss, rollt das E-Silence nahezu geräuschlos. Dann ist ein Rumpler über Fahrbahnunebenheiten das lauteste Fahrgeräusch und zugleich das Indiz dafür, wo es nicht stimmt: Das E-Silence ist ein höchst unkomfortables Fahrzeug.

Gleich mehrfach fand sich im Transportkarton der Hinweis

Offenkundig waren die Entwickler bestrebt, ein jüngere Leute ansprechendes Rahmendesign mit der für die Motorisierung nötigen Stabilität zu vereinen. So bekam der Rahmen aus Aluminium 6061 außer dem nur zart angedeuteten Knick im Oberrohr einen fest verbundenen, freitragenden Gepäckträger und eine modisch gerade Gabel. Bemerkenswert: Gleich mehrfach fand sich im Transportkarton der Hinweis, der Rahmen dürfe nicht – etwa zur Endmontage – eingeklemmt werden. Es drohe Verformung.

Am Ende jedoch ist bei der Rahmengestaltung ein Bock herausgekommen, der sich nur auf neuem Asphalt mit annehmbarem Komfort bewegen lässt. Das Rad zum Stolzen, aber gerechtfertigten Preis von rund 4200 Euro wird im Internet – in Details widersprüchlich wie etwa beim Gewicht von knapp 27 Kilogramm – als das ideale Elektrorad für den jung-dynamischen urbanen Pendler vorgestellt. Den werden die in vielen Städten üblichen Buckelpisten oder gar Kopfsteinpflaster aber gnadenlos durchrütteln. Kein Schatten ohne Licht: Wenn es bergab auf die 50 km/h zugeht, liegt Scotts Leisetreter mustergültig vibrationsfrei auf der Straße. Aber wehe, es lauert irgendwo ein Schlagloch – dann rummst es wieder und zwar gewaltig.

Apropos Licht: Die Beleuchtungsanlage ist allererste Sahne: Von dem in den Vorbau integrierten Supernova-Scheinwerfer wird die Fahrbahn vorzüglich ausgeleuchtet. Und das vom gleichen Hersteller stammende Rücklicht, das in die Sattelstütze verbaut wurde, ist unübersehbar. Glatt übersehen kann man hingegen, dass das E-Silence überhaupt ein Elektrorad ist: Der 508-Wattstunden-Akku wird von unten her ins Unterrohr geschoben, das sich harmonisch zum Motorgehäuse erweitert. Der Brose-Motor ist ja nicht nur leise, sondern auch einer der kleinsten seiner Zunft. Das Minidisplay des Antriebs hat nicht so recht überzeugt, genauso wenig wie die minimalistische Drei-Knopf-Bedienung des Harmony-Nabe. Der auf dem Foto erkennbare Kettenschutz über dem Riemen gab schon nach rund fünfzig Kilometer den Geist auf: Mit dem Schuh beim Antreten hängen geblieben, zerbrach das Teil in mehrere Stücke. Es geht auch ohne, und nicht nur auf den Werbefotos im Internet.