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Pathos ohne falschen Nationalstolz

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Esmaeli ist das Gesicht für „Deutschland – Land der Ideen“, die Standortinitiative der Bundesregierung und der deutschen Industrie. Damit beerbt sie Claudia Schiffer.

„Sexistisch“ nennen Kritiker die neue Kampagne von „Deutschland – Land der Ideen“. Darüber kann das afghanische Model Zohre Esmaeli, das in Berlin lebt, nur lachen. Doch so einfach war es nicht immer.

Eine schöne Frau und eine Fahne: Schwarz wie Ebenholz. Rot wie Blut. Schimmerndes Gold. Dabei ist die Frau alles andere als ein Schneewittchentyp. Ihre Haut hat die Farbe von Karamellpudding, und von dieser Haut kriegt man durchaus etwas zu sehen: Die rechte Schulter, die Knie, ihre Füße sind nackt.

Wie also lauten die Kommentare in den sozialen Medien, was meckern Feministinnen, worüber beschweren sich SPD-Politikerinnen? Sexismus!

Zohre Esmaeli lacht. Die Einunddreißigjährige lacht viel an diesem Frühlingsvormittag, an dem sie sich in einem Berliner Café die Mango-Marmelade aufs Frühstücksbrötchen streicht. Sie lacht sogar, wenn es um ernste Themen geht, weil sie ein positiver Mensch ist und weil sie sich von den schweren Seiten des Lebens nicht unterkriegen lassen will. Jetzt jedoch ist sie nur amüsiert.

„Was soll daran sexistisch sein?“

Zohre Esmaeli arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Model. Es gibt Fotos, auf denen sie sich in Spitzenwäsche räkelt. Den Vorwurf, sie würde ihren Körper verkaufen, kennt sie gut. Aber normalerweise, sagt Esmaeli, komme dieser Vorwurf von Landsleuten. Denn die Frau mit der schwarz-rot-goldenen Flagge, die als Gesicht der Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“ die Nachfolge von 46594870 Claudia Schiffer im Jahr 2006 bei der Präsentation der Kampagne. Zohre Esmaeli fragt: „Was soll daran sexistisch sein?“

Und nun Kritik von Deutschen wegen zu viel blanker Haut? Zohre Esmaeli schüttelt belustigt den Kopf. „Was soll daran sexistisch sein?“, fragt sie. „Es repräsentiert die schöne Seite von Deutschland.“

Esmaeli ist dankbar

Nun kann man durchaus der Meinung sein, dass Frauen nicht als Sexualobjekt inszeniert werden sollten, dass diese Verkaufsmasche allzu abgedroschen ist. Das Motiv Frau mit Fahne spricht insofern nicht unbedingt für eine Kampagne, die den Wirtschaftsstandort Deutschland mit Innovation und Kreativität in Verbindung bringen will. Um so origineller allerdings, wofür Zohre Esmaeli als Deutschland-Botschafterin steht: Sie ist eine Frau, die wie eine Muttersprachlerin lossprudelt, ohne dass die Grammatik hundertprozentig sitzt, und die jeden Morgen dankbar ist, wenn sie in ihrer Berliner Wohnung aufwacht.

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Weil sie ihre Klamotten in eine Maschine stopfen kann und nicht – wie einst in Kabul – mit der Hand waschen muss. Weil jeder Mensch hier zum Arzt gehen kann, ohne sich – wie in Amerika – Gedanken über Geld zu machen. „Hey“, fragt Esmaeli, „in welchem Land gibt es sowas? Für mich ist Deutschland das Paradies.“ Dem Flüchtlingsmädchen von einst ist bewusst, was ihm die Gesellschaft, die es aufgenommen hat, ermöglicht hat- dass sie als Frau eine Entwicklung einschlagen konnte, die im Untertitel ihrer Biographie als Weg zu ihr selbst bezeichnet wird: „Ich repräsentiere das Land, das mir mein Leben, meine Freiheit, meine Menschlichkeit gegeben hat.“ Aus deutscher Sicht ist so viel Pathos, das nichts mit dem Nationalstolz der Ewiggestrigen zu tun hat, noch immer verblüffend.

Sie musste ein zweites Mal fliehen