Mode & Design

Das Wohnliche in der Moderne

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Drei Jahre nach dem Einstieg in Hans Knolls Firma heirateten die beiden. Das Unternehmen führten sie fortan gemeinsam.

Die Designerin Florence Knoll feierte mit ihren sinnlichen und dennoch modernen Möbeln in den fünfziger und sechziger Jahren große Erfolge. Am Mittwoch wird Knoll 100 Jahre alt.

Man kann nicht sagen, dass Florence Marguerite Knoll Basset eine schöne Kindheit hatte. Ihre Eltern starben früh, sie wurde als Waise auf ein Mädcheninternat in Michigan geschickt. In dessen Nähe allerdings befand sich eine Kunstakademie, die von dem finnischen Architekten Eliel Saarinen geleitet wurde. Der wurde auf die begabte junge Schülerin aufmerksam und nahm sie schließlich auf seine Familienreisen nach Europa mit, wo sie im Gefolge der Saarinens Le Corbusier und Alvar Aalto kennenlernte. Und so begann eine der großen Designkarrieren des 20. Jahrhunderts.

Knoll studierte von 1935 an in London, verließ Europa bei Kriegsbeginn, arbeitete in Harvard beim emigrierten Marcel Breuer, lernte bei Mies van der Rohe und ging als Entwerferin ins Büro von Walter Gropius – wo sie, so erzählt sie es, wie die meisten der wenigen Frauen, die damals in Architekturbüros arbeiteten, die Aufgaben zugeteilt bekam, die man für „weiblich“ hielt, nämlich die Innenraumgestaltung. Wenn man heute ihre Möbelentwürfe sieht, wünschte man sich, sie hätte auch noch viel mehr Hochhäuser entworfen – denn die Art, wie sie mit Materialien umging, wie sie Schränke, Tische und Sideboards und Sofas proportionierte, wie sie Materialien einsetzte, wie das warme Mahagoniholz auf das Spiegelglatte des verchromten Stahls traf und auf die Kälte des Marmors, gab der Moderne eine Sinnlichkeit zurück, die sie bei den weniger begabten Bauhaus-Adepten längst verloren hatte.

Ausbruchsfreude und Zukunftseuphorie

Aber die junge Architektin blieb bei den Möbeln. 1943 trat sie in die Firma des Deutschen Hans Knoll ein. Drei Jahre später heiratete sie ihn, die Firma wurde in Knoll Associates umbenannt, Florence leitete das Designteam und traf weitsichtige unternehmerische Entscheidungen – allein dass sie sich schon 1948 die Herstellungsrechte für den berühmten Barcelona-Chair von Mies van der Rohe sicherte, stellte die Firma auf eine solide finanzielle Basis. Wenige Jahre später, als Hans Knoll bei einer Dienstreise auf Kuba mit seinem Porsche tödlich verunglückte, übernahm sie die gesamte Firma.

Knolls beste Entwürfe entstanden in den fünfziger und sechziger Jahren – in dieser Zeit machte sie ihr Unternehmen zum Inbegriff einer eleganten, zukunftsfreudigen Moderne, die bei aller dünnbeinigen Bauhaus-Eleganz und allen Revolutionen der Fertigung auch den alten Wunsch nach warmen Stoffen, weichen Sitzen und Geborgenheit bediente. Wenn es ein Rezept gibt, das den Erfolg von Knoll erklärt, ist es wohl aber vor allem die Kombination aus Aufbruchsfreude und Zukunftseuphorie und dem Beweis, dass die Moderne nicht zwangsweise ungemütlich sein muss – und dass man in solchen Wohnlandschaften sehr alt werden kann: Am Mittwoch feiert Florence Knoll ihren 100. Geburtstag.