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Damoklesschwert über dem größten Zementkonzern der Welt

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Auf den Konzern Lafarge-Holcim fällt derzeit kein gutes Licht. Das belastet vor allem den Aktienkurs.

Im syrischen Bürgerkrieg hatte das Unternehmen Lafarge Wegezoll und Schutzgeld an Islamisten gezahlt. Die Affäre lastet jetzt auf dem Aktienkurs der Fusion Lafarge-Holcim.

Die Aktionäre der Lafarge-Holcim AG haben der Führungsmannschaft des größten Zementkonzerns der Welt einen sehr deutlichen Denkzettel verpasst. In der Hauptversammlung am vergangenen Mittwoch stimmten nur 61 Prozent der Anteilseigner für eine Entlastung des Vorstands und des Verwaltungsrats. Dieses Misstrauensvotum hat mit einem Fall zu tun, der in den vergangenen Monaten für große Schlagzeilen gesorgt und den Vorstandsvorsitzenden Eric Olsen zum Rücktritt gezwungen hat. Mitte Juli verlässt der Amerikaner nach nur zwei Jahren die Kommandobrücke.

Olsen und mit ihm der gesamte Konzern, der Mitte 2015 aus dem Zusammenschluss der französischen Lafarge mit der schweizerischen Holcim AG entstanden ist, holen die Schatten der Vergangenheit ein. Wie erst nach der Fusion herauskam, hat Lafarge während des Bürgerkriegs in Syrien mit islamistischen Terrorgruppen kollaboriert. Von 2013 bis 2014 zahlte das Unternehmen Schutzgelder und Wegzölle, um seine Zementfabrik östlich von Aleppo weiterbetreiben zu können. Es wurden sogar Lösegelder übergeben, um entführte Mitarbeiter freizukaufen (F.A.Z. vom 25. April).

Aktienkurs unter Druck

Wegen des Verdachts der illegalen Terrorfinanzierung drohen nicht nur Klagen in Frankreich. Denkbar ist auch, dass die amerikanische Justiz den Fall aufnimmt, schließlich hat Lafarge mit seinem Verhalten seinerzeit nicht nur gegen seine eigenen Regeln verstoßen, sondern offenkundig auch gegen geltende internationale Sanktionen. Amerika ist mit einem Umsatzanteil von rund einem Fünftel ein wichtiger Markt für den Zementriesen. Wegen der von Donald Trump angekündigten Großinvestitionen in die Infrastruktur – es geht um den Bau und die Renovierung von Straßen, Brücken und Flughäfen – haben dort alle Zementhersteller derzeit leuchtende Augen.

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Holcim und Lafarge besiegelt war, sagte der Schweizer Großaktionär Thomas Schmidheiny voraus, dass der Aktienkurs des neuen Gemeinschaftsunternehmens relativ zügig auf 100 Franken klettern werde. Doch daraus wurde nichts, obwohl es rein geschäftlich inzwischen durchaus besser läuft.

Olsen konnte sich Vertrauen erarbeiten

„Operativ ist der Konzern auf Kurs. Aber die Affäre in Syrien bringt Unsicherheit. Die möglichen Klagen in Frankreich und weitere Konsequenzen daraus lasten auf dem Aktienkurs“, sagt Martin Hüsler, Analyst der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Auch der überraschend angekündigte Wechsel an der Konzernspitze sei vorerst nicht dazu angetan, dem Kurs Rückenwind zu verleihen: „Olsens Abgang nach nur zwei Jahren im Amt wirkt unschön. Er hatte gerade angefangen, Traktion bei den Investoren zu erlangen.“ Tatsächlich hatte sich Olsen anfangs ziemlich schwergetan, sich in die neue Rolle als Konzernchef einzufinden. Doch je länger er im Amt war, umso mehr Vertrauen erarbeitete er sich.

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Die Auslastung der Werke in Europa ist zwar immer noch schwach. Aber insgesamt haben sich die Margen verbessert. Hierzu trugen Preiserhöhungen und Kostensenkungen bei. Die hohen Synergien, die Olsen den Aktionären im Gefolge der Fusion versprochen hatte, wurden zunehmend sichtbar. Entgegen vielfachen Erwartungen schien Olsen also auf gutem Weg, seine Versprechen einzuhalten. Eines seiner Ziele lautet, das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) bis 2018 auf 7 Milliarden Franken zu erhöhen. Im vergangenen Jahr waren es 5,8 Milliarden Franken.

Strafe in Indien steht noch aus

Jetzt fragt man sich im Markt: Gelten diese Ziele noch oder wird der neue Chef Anpassungen vornehmen? Dieser weiteren Unsicherheit versucht der Verwaltungsratspräsident Beat Hess die Nahrung zu entziehen: Er werde dafür sorgen, dass der Nachfolger den strategischen Kurs beibehält und dieselben Ergebnis- und Kostensenkungsziele wie Olsen verfolgt, gab Hess am Mittwoch zu Protokoll. Bis zum Ende dieses Jahres, so hofft Hess, will er einen neuen Vorstandsvorsitzenden präsentieren.

Das Rechtsrisiko aus dem Syrien-Fall ist nicht die einzige Altlast. Auch Holcim ist nicht unbefleckt in die Ehe mit den fehlbaren Franzosen gegangen, wie ein Blick in den Risikobericht des Konzerns zeigt. Dort steht, dass zwei Holcim-Tochtergesellschaften in Indien aufgrund früherer Kartellvergehen eine Buße von rund 350 Millionen Franken zahlen sollen. Diese von einem indischen Gericht verfügte Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig- der Konzern hat Berufung eingelegt. Gleichwohl musste er bereits 10 Prozent der Buße bei einer Bank hinterlegen. Eines ist also gewiss: Langweilig wird es einem als Aktionär von Lafarge-Holcim nicht.