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Wall Street stellt Zeitplan von Trump in Frage


An der New Yorker Börse

An der amerikanischen Börse mehren sich Stimmen, die mit einem Kursrückschlag rechnen. Hedgefondsmanager sehen einen entscheidenden Faktor dafür in der schleppenden Umsetzung von Trumps Wirtschaftspolitik.

An der Wall Street wächst die Skepsis, ob der neue amerikanische Präsident Donald Trump seine wirtschaftspolitischen Pläne rasch genug umsetzen kann, um weitere Kursgewinne an den Aktienmärkten zu rechtfertigen. „Der Aktienmarkt erwartet möglicherweise ein positives Extremszenario für die Umsetzung politischer Maßnahmen“, sagte Alan Fournier, Gründer der Hedgefondsgesellschaft Pennant Capital Management in einem Zeitungsinterview. Fournier und andere Marktteilnehmer suggerieren, dass Investoren zuletzt möglicherweise zu begeistert auf die Ankündigungen des Präsidenten reagiert haben.

Trump, nicht gerade ein zurückhaltender Charakter, weist gerne auf die seit seiner Wahl und seinem Amtsantritt deutlich gestiegenen Aktienkurse hin. „Der Aktienmarkt hat Rekordzahlen erreicht, wie sie wissen. Und es gibt eine riesige Welle von Optimismus in der Wirtschaft“, sagte Trump vor drei Wochen auf einer Pressekonferenz, in der er die Fortschritte seiner jungen Regierung anpries. In der Tat ist der amerikanische Aktienindex S&P 500 seit der Präsidentenwahl Anfang November um 14 Prozent gestiegen. Allein seit der Amtseinführung Trumps in der zweiten Januarhälfte verzeichnete das Marktbarometer ein Kursplus von 5 Prozent. Der allgemeine Optimismus basiert auf der wirtschaftspolitischen Agenda der Regierung. Trump kündigte staatliche Investitionen in Infrastrukturprojekte über eine Billion Dollar, eine umfassende Steuerreform sowie eine Deregulierung der Finanzbranche an.

In den ersten Wochen musste sich Trump allerdings mit heftigem öffentlichen und juristischen Widerstand gegen umstrittene Dekrete sowie mit Fragen zu bedenklichen Verbindungen seiner Berater zur russischen Regierung auseinandersetzen. Daher gibt es an der Wall Street immer mehr skeptische Stimmen, die fragen, ob die wirtschaftspolitischen Pläne der neuen Regierung rasch genug umgesetzt werden können. „Je weiter das in diesem Jahr nach hinten verschoben wird und möglicherweise für 2017 keine Wirkung mehr haben kann, desto mehr Sorgen mache ich mir als Investor“, sagte Mark Luschini, der Chef-Anlagestratege der Investmentbank Janney Montgomery Scott. Luschini wies auf die hohe Bewertung des Aktienmarktes hin.

Nach seinen Berechnungen werden amerikanische Aktiengesellschaften derzeit mit dem 18-Fachen ihrer für die kommenden 12 Monate erwarteten Gewinne bewertet. Im langfristigen Durchschnitt liegt diese auch als Kurs-Gewinn-Verhältnis bekannte Kennziffer bei 15. Steuerreform und Deregulierung sind nach Einschätzung von Luschini Voraussetzungen für weiteres wirtschaftliches Wachstum. Trump hat bisher aber keine konkreten Vorschläge gemacht.

Hedgefondsmanager rechnen mit Rückgang der Aktienkurse

Auch andere Börsianer beginnen sich um den Zeitplan der Regierung Trump zu sorgen. „Wenn man daran glaubt, dass einige Teile von Trumps Agenda noch in diesem Jahr verabschiedet werden, sind die Erwartungen steigender Gewinne gerechtfertigt (wenn nicht, zu niedrig)“, schrieb Nicholas Colas, der die Aktienmarktstrategie des Wertpapierhauses Convergex verantwortet, kürzlich in einem Marktbericht. Anleger, die nicht damit rechnen, dass Trump seine Pläne noch in diesem Jahr umsetzen kann, sollten sich dagegen von ihren Beteiligungen trennen. Und zwar sofort. Damit die hohen Aktienbewertungen weiter vertretbar seien, müssten mindestens zwei der drei Teile von Trumps Wirtschaftsprogramm – also Steuersenkung, Deregulierung oder Infrastrukturausgaben – tatsächliche Fortschritte machen. „Es ist ein Markt, in dem man auf die Prognose für den günstigsten Fall vertrauen muss“, meint Colas. Es sei aber nichts für pessimistische Anleger.

Auch Chad Morganlander, Fondsmanager beim Vermögensverwalter Washington Crossing, glaubt, dass die Kurse in Erwartung kräftigen wirtschaftlichen Wachstums zu schnell gestiegen sind. „Der Markt baut auf den Erwartungen von Umsatz- und Gewinnwachstum für die Unternehmen im S&P 500 sowie auf Wirtschaftswachstum auf, nicht nur in Amerika, sondern weltweit“, meint Morganlander. Diese Beschleunigung werde zwar stattfinden, aber nicht in dem unterstellten Ausmaß.

Nach einer Umfrage der „New York Times“ unter mehr als einem Dutzend amerikanischer Hedgefondsmanager, rechnen neun davon für die nahe Zukunft mit einem „mindestens mäßigen“ Rückgang der Aktienkurse an der Wall Street. Einige dieser Fondsmanager sichern sich daher schon mit Optionen gegen Kursverluste ab. Die große Hedgefondsgesellschaft Citadel aus Chicago hat die Umsetzung von Trumps Wirtschaftspolitik auf die Liste von Faktoren gesetzt, die zu starken Kursschwankungen am Aktienmarkt führen könnten.

„Historisch hohe Bewertungen und eine aktuell rekordverdächtige Selbstgefälligkeit in den Märkten machen sie extrem anfällig für Schocks, unabhängig davon, wer in Amt und Würden ist“, meint Mark Spitznagel, Chefanleger der Fondsgesellschaft Universa Investment.

Neben Optionen, mit denen Anleger von fallenden Kursen profitieren können, empfehlen skeptische Börsianer auch defensive Aktien. Mark Luschini, der Stratege von Janney Montgomery Scott, rät Anlegern zu Aktien aus traditionell schwankungsresistenteren Segmenten: Stromversorger, Gesundheitstitel oder konjunkturunabhängige Konsumwerte. Die jüngste Trump-Rally wurde dagegen ausschließlich von Aktien aus konjunktursensiblen Segmenten getrieben: Finanzwerte, Industrie- und Grundstofftitel sowie Technologiewerte.