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Keine oppositionelle Partei schafft es in die Duma

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Und Präsident Putin schaut zu: Eine Wählerin in Moskau bei der Stimmabgabe in Moskau.

Haben die Russen vollkommen resigniert, was die Macht ihrer Wählerstimme angeht? Zumindest deuten die extrem geringe Wahlbeteiligung und das schlechte Abschneiden der oppositionellen Parteien darauf hin.

Die diesjährige Wahl zur Duma begleiteten etliche Berichte über Verstöße, vor allem aber das Desinteresse der Bevölkerung – mit der Folge, dass alles beim Alten bleiben dürfte. In das russische Unterhaus wird nach vorläufigen Ergebnissen vom Sonntagabend keine oppositionelle Partei einziehen. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der 2014 annektierten ukrainischen Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt nach Auszählung von 60 Prozent der Stimmen die formal von Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew geführte Regierungspartei „Einiges Russland“ mit gut 53,8 Prozent.

Dem Zwischenstand der zentralen Wahlkommission zufolge lag für Einiges Russland sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Duma-Mandate in Reichweite. Eine solche Mehrheit würde dem Kreml Verfassungsänderungen erleichtern.

Auf Platz zwei landete die Kommunistische Partei mit 13,9 Prozent, gefolgt von der rechtsextremen LDPR von Wladimir Schirinowski mit 13,7 Prozent. Die nationalistische Partei „Gerechtes Russland“ erhielt dem Zwischenstand zufolge 6,2 Prozent. Keine dieser Parteien versteht sich als Opposition. Sie waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in der Regel mit der Mehrheit.

To view this video please enable JavaScript, and consider upgrading to a web browser that Wladimir Putin, ohne unbequeme Fragen zu stellen. Keine andere Partei überwand laut der Wahlkommission die Fünfprozenthürde- Nachwahlbefragungen kremlnaher Umfrageinstitute hatten ein entsprechendes Bild ergeben. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Parnass.

Nach einer Wahlrechtsreform wird die Hälfte der 450 Mandate direkt vergeben. Auch hier zeichnete sich ab, dass „Einiges Russland“ die allermeisten Mandate gewinnen werde. Präsident Wladimir Putin sagte am Sonntagabend, das Ergebnis zeige, dass die Wähler in einer nicht einfachen Lage für das Land die Stabilität des politischen Systems wünschten. Die Wahlbeteiligung sei nicht „die höchste“, aber doch „hoch“ gewesen.

Wahlbeteiligung von nicht einmal 40 Prozent

Um 18 Uhr Moskauer Zeit hatten nicht einmal 40 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, vor fünf Jahren waren es mehr als die Hälfte gewesen. Besonders niedrig war die Beteiligung in Moskau und Sankt Petersburg, wo die Opposition traditionell relativ viele Anhänger hat. Eine niedrige Wahlbeteiligung ist insgesamt für den Kreml günstig, da organisierte Wählergruppen wie Polizisten, sonstige Staatsdiener und Soldaten ihre Stimmen gewiss abgeben. So war es laut vielen Berichten auch dieses Mal. Aus Syrien wurde mitgeteilt, hundert Prozent der dorthin entsandten Soldaten hätten abgestimmt. Auch aus der gezwungenermaßen kremltreuen Teilrepublik Tschetschenien wurde eine besonders hohe Wahlbeteiligung gemeldet.

Dorthin war aus Sicherheitsgründen keiner der 466 Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gereist. Aus politischen Gründen waren die OSZE-Beobachter auch nicht auf der Krim präsent. An diesem Montagnachmittag wollen sie ihren vorläufigen Bericht veröffentlichen. Die russischen Wahlbeobachter von Golos (Stimme) berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht wie Mehrfachabstimmungen („Karussell“) und Urnenstopfen.

Berichte von Mehrfachabstimmungen

Die Organisation gilt als „ausländischer Agent“, was ihre Arbeit sehr erschwert- so mussten sich ihre Beobachter vor dem Besuch eines Wahllokals anmelden. Die Organisation hatte bei den Duma-Wahlen von fünf Jahren über massenhafte Fälschungen berichtet, was ein Auslöser der Proteste Hunderttausender Russen für saubere Wahlen war. Auch die Partei Jabloko berichtete am Sonntag über Benachrichtigen über das „Karussell“ mit Wählern. Putins frühere Menschenrechtsbeauftragte Ella Pamfilowa, die seit dem Frühjahr die Zentrale Wahlkommission führt und für „saubere Wahlen“ stehen soll, wies einige dieser Berichte scharf zurück, bei anderen kündigte sie eine Prüfung an.

Kopie von 42438244 Der russische Ministerpräsident spricht am Sonntagabend mit Wählern in Moskau.

Schon vor der Wahl hatte der Kreml freilich Sorge dafür getragen, dass die Wahlen wie gewünscht ausgehen. So war die Registrierung für die Wahl sehr kompliziert und überdies politisch gesteuert. Im Ergebnis durften etwa der Antikorruptionskämpfer Alexej Nawalnyj, der 2013 bei der Bürgermeisterwahl in Moskau offiziell gut 27 Prozent der Stimmen gewann, und seine „Fortschrittspartei“ nicht antreten. Zudem fand die Wahl in einem politischen Klima statt, in dem Oppositionelle als „Verräter“ diffamiert werden, die dem „belagerten“ Russland und seinem Präsidenten in den Rücken fielen. Zum Klima der Einschüchterung zählen Schauprozesse und langjährige Haftstrafen gegen Dutzende Russen, die im Mai 2012 auf dem Moskauer Bolotnaja-Platz gegen die neuerliche Einführung Putins ins Präsidentenamt demonstriert hatten.

Fernsehen als Instrument der Diffamierung

Kurz vor der Wahl war das einzige unabhängige Umfrageinstitut des Landes, das Lewada-Zentrum, als „ausländischer Agent“ eingestuft worden. Es hatte zuvor eine Umfrage veröffentlicht, die die Zustimmung für „Einiges Russland“ nur noch bei 31 Prozent gesehen hatte. Wichtigstes Instrument der Diffamierung ist indes das Fernsehen. Politiker wie der Vorsitzende der Partei Parnass Michail Kasjanow durften in den letzten Wochen des Wahlkampfs im Staatsfernsehen auftreten. Doch das war eine Ausnahme, ansonsten senden staatliche und kremltreue Sender seit Jahren diffamierende Beiträge über die „Verräter“ im Solde Washingtons.

Kasjanow, der im Frühjahr selbst zum Ziel eines „Dokumentarfilms“ über seine Intimsphäre geworden war, sagte am Sonntag, es sei „offensichtlich, dass die Russen nicht mehr daran glauben, dass Wahlen irgendetwas entscheiden können“.