Leib & Seele

Meersalz ist auch nur Salz

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Dafür, dass ein Bad im Meer Gutes bewirkt, ist das Salz nicht das Wichtigste.

Hilft Schwimmen in der Nordsee gegen Krankheiten? Und warum soll die Luft am Strand gut für uns sein? Eine Small-Talk-Hilfe für den Urlaub.

1. Ist Baden im Meer gesund?

Ja, schon. Warum das so ist, ist aber gar nicht so einfach zu sagen. Werner Kurrat braucht gleich vier Fragezeichen dafür: „Was wirkt bei einem Salzwasserbad? Das Salz? Das Wasser? Die Sonne?“ Kurrat ist Dermatologe und hat ein Problem: Er geht, wie quasi alle seine Kollegen, davon aus, dass Salzwasser gut für die Haut ist.

Allerdings gibt es dafür keine Daten, die in der evidenzbasierten Medizin als valide durchgehen. Besonders schwierig ist, dass es bei einem Urlaub am Meer so viele so gut wie nicht messbare Variablen gibt: Entspannung, ausreichend Schlaf, allgemeine Freude – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Bei Menschen mit Hautkrankheiten probieren sie es in der Nordseeklinik Westerland auf Sylt, in der Kurrat als Oberarzt arbeitet, oft einfach aus: Sie leiten das Wasser aus der hinter den Dünen liegenden Nordsee in Badewannen, erwärmen es auf eine angenehme Temperatur und setzen die Patienten hinein.

Das lindert in aller Regel die Symptome bei Neurodermitis und Schuppenflechten. Wenn die Beschwerden besonders schlimm sind, dann kippen die ärzte zusätzliches Salz in die Wanne. Wie viel? „Erfahrungswerte“, sagt Kurrat. Irgendwann jedenfalls tut das Salz seine Arbeit, die der Arzt nach Jahren der Praxis so zusammenfasst: Salz ist schuppenlösend und entfernt Verhornungen, es wirkt leicht desinfizierend und entzündungshemmend.

All das tut freilich auch dem gesunden Müßiggänger an den Stränden dieser Welt gut – und zwar an allen. Dreieinhalb Prozent beträgt der Salzgehalt in der Nordsee, etwa so viel wie auch im Atlantik und Pazifik. Zwar lockt das Tote Meer Genesungssuchende seit jeher mit seinem Salzgehalt von rund 30 Prozent. Aber für viele Patienten in Kurrats Klinik reicht die Nordsee schon aus, damit es ihnen bessergeht. Der Arzt sagt sogar, dass jeder Salzgehalt von 0,9 Prozent an einen Effekt habe – vermutlich, denn, siehe oben: Wirklich belastbare Daten fehlen.

Eines allerdings weiß man: Dafür, dass ein Bad im Meer Gutes bewirkt, ist das Salz nicht das Wichtigste, sondern das Licht. Aus Studien zur Thalasso-Therapie, also einer Behandlung von Hautkrankheiten mit Salzwasser und UV-Strahlen, geht hervor, dass der therapeutische Effekt ohne die Strahlen sehr viel geringer ist als mit ihnen.

Thalasso-Therapie Als Teil der Thalasso-Therapie badet eine junge Frau in einem warmen Meerwasserbad mit Algen.

Deshalb werden Kurrats Patienten auch stets bestrahlt, wenn sie im Salz sitzen. Und weil Sonne bekanntlich nicht ausschließlich Gutes tut, hat das Tote Meer doch einen Vorteil gegenüber anderen Gewässern: Es liegt unter dem Meeresspiegel, die Temperaturen sind sehr hoch – was eine Form der Bewölkung verursacht, die die Intensität der besonders schädlichen UVB-Strahlen verringert.

Wer meint, den Effekt daheim nachahmen zu können, muss aber nicht nur eine Höhensonne aufstellen – er sollte vorher das Material seiner Badewanne auf Tauglichkeit testen: Anders als von den Drogerieartikel-Herstellern suggeriert, reicht ein Löffelchen Salz vom Toten Meer nämlich nicht aus.

41658597 Badende genießen das Salzwasser im Toten Meer in Israel.

Um die Verhältnisse aus dem Nahen Osten zu simulieren, müsste man etwa 50 Kilogramm Salz in die Wanne kippen, für Nordseewasser braucht man immerhin noch fünf Kilo. Wer es dennoch versuchen will: Kaufen Sie keine teuren Spezialprodukte – Salz vom Discounter genügt völlig. „Meersalz besteht zu einem sehr großen Anteil aus Kochsalz“, sagt Kurrat. Außerdem sei für die gesundheitsfördernden Effekte das physikalische Prinzip des Salzes wichtig – nicht dessen Zusammensetzung.

2. Und was ist mit dem Einatmen von Meeresluft?

Auch bei dieser Frage bewegen wir uns innerhalb der Erfahrungsmedizin. Das kann auch gar nicht anders sein, erklärt Michael Wittmann, Pneumologe und stellvertretender Chefarzt der Klinik Bad Reichenhall: Um zu beweisen, dass ein Aufenthalt am Meer gut ist für die Bronchien und Nasennebenhöhlen, müsste man Menschen sowohl ans Wasser als auch ins Inland schicken – und sie dürften jeweils nicht wissen (Achtung, Placebo!), wo sie sich aufhalten.

Das ist unmöglich, und so muss Wittmann auf die Geschichte von Bad Reichenhall zurückgreifen: Irgendwann fiel auf, dass die Arbeiter, die dort in den Gradierwerken Salz gewannen, selten Husten und Schnupfen hatten – und schwups war der Ort um das Präfix „Bad“ reicher.

Eroeffnung der ersten Salzgrotte in Brandenburg Salzluft sei gut für die Atemwege, suggerieren Wellness-Anbieter und bieten Kuren in künstlich angelegten Salzgrotten – wie hier in Brandenburg – an.

Ein bisschen mehr weiß man heute schon: Zum Beispiel hat eine australische Studie ergeben, dass hochdosierte Salzinhalationen (sieben Prozent) Patienten mit Mukoviszidose helfen. „Sie können ihren extrem zähen Schleim besser abhusten und benötigen seltener Antibiotika“, sagt Michael Wittmann.