Klima

Klimapolitik: Zwei Grad sind unrealistisch

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Was hat der Klimagipfel in Paris gebracht? Kann das dort vereinbarte Abkommen wirklich als historisch bezeichnet werden? Fragen an den Experten Oliver Geden.

Herr Geden, der Klimagipfel ist eine Woche her. Mit etwas Abstand betrachtet: Ist die Welt jetzt gerettet?

Das Ergebnis von Paris ist ein bemerkenswerter Fortschritt gegenuber fruheren Klimagipfeln, es kann sich sehen lassen. Aber der Plan ist erstens noch lange nicht umgesetzt. Und zweitens sieht das Ergebnis deutlich besser aus, als es ist. Die Stimmung ist weit besser als die Lage. Der Zustand des Weltklimas ist nach wie vor besorgniserregend.

Jetzt schutten Sie aber viel Wasser in den Wein.

Sehen Sie sich die Klimaschutzzusagen an, die sind alle freiwillig. Wenn man sich die Geschichte der Vereinten Nationen anschaut, dann war es immer ihre großte Herausforderung, dafur zu sorgen, dass Zusagen der Nationalstaaten auch eingehalten werden. Zudem enthalten einige Passagen des Vertrags sehr vage Aussagen. Da gibt es viele Hinterturen.

Umweltministerin Hendricks hatte am letzten Sonntag sogar Tränen in den Augen. Man sprach einhellig von einem historischen Tag fur den Planeten. Stimmt das denn nicht?

Mit solch hochtrabenden Aussagen wäre ich vorsichtig. Wir mussen auch mal realistisch betrachten, woher wir kamen. 25 Jahre lang sind alle Bemuhungen, etwas fur das Klima zu tun, teilweise grandios gescheitert. Gemessen an der Emissionsentwicklung gab es nur Misserfolge. Insofern war Paris ein großer Schritt. Aber die positive Atmosphäre erklärt sich eben auch aus dem Selbstverständnis des politischen Betriebs. Wenn in der Politik verhandelt wird, gilt alle Anstrengung dem Ziel, uberhaupt ein Ergebnis zu erreichen. In diesem Fall liegt das Ergebnis sogar am oberen Rand des Moglichen. Deshalb kann man Paris aus politischer Sicht tatsächlich als großen Erfolg betrachten.

Was hat man bislang falsch gemacht?

Bisher waren die Verhandlungen mit zu hohen Zielen belastet, die gar nicht erreicht werden konnten. Man wollte die Welt quasi im Handumdrehen retten. Deshalb folgten die Verhandlungen lange einer Entweder-Oder-Strategie: Entweder wir beschließen jetzt einen wirksamen Klimavertrag, oder der Planet ist verloren. Das lässt sich nicht beliebig oft wiederholen. Nach dem Gipfel von Kopenhagen 2009 wurde die Strategie allmählich realistischer. Das Motto lautete: Jeder gibt so viel er kann, wir holen das Maximale heraus. Das reicht zwar noch lange nicht, aber dadurch entwickeln wir zumindest eine Dynamik. Es ist ein Anfang, auf dem man aufbauen kann. Es ist auch kein Zufall, dass in Paris das Außenministerium die Verhandlungsfuhrung ubernommen hatte. Die sind diplomatisch sehr geschickt vorgegangen und stets pragmatisch geblieben. In Kopenhagen lag die Leitung beim dänischen Umweltministerium. Dort ist man das Problem zu ideologisch angegangen.

Kommt das Pariser Ergebnis zu spät, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen?

Ich halte bloß zwei Grad Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts fur unrealistisch. Um eine solche Obergrenze einzuhalten, kommt Paris einfach zu spät. Dafur sind die jetzt zugesagten Emissionsminderungen viel zu gering. Auf Basis der jetzt eingereichten Zusagen wird das Emissionsbudget dafur bereits im Jahr 2037 vollständig ausgeschopft sein. Vollkommen unrealistisch ist deshalb auch das 1,5-Grad-Ziel. Damit sich die Erde bis zum Jahr 2100 nur um diesen Wert erwärmt, mussten wir in funf Jahren aufhoren, Kohle, ol und Gas zu verbrennen. Aber gerade hat der indische Energieminister angekundigt, die Kohleforderung zu verdoppeln. Selbst Industrieländer wie Japan und Sudkorea wollen sechzig neue Kohlekraftwerke bauen.

Warum hat man die 1,5 Grad dennoch beschlossen?