Auto & Verkehr

Nissan NV 200 Cab: Ein Tag Taxifahrer in New York

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New Yorks Straßen sind in der Hand der gelben Ford-Taxen – bis jetzt. Denn Nissan will den Markt aufmischen mit einem Sprit sparenden „Taxi von Morgen“. Unser Autor fuhr damit einen Tag Touristen umher.

Nein, falsche Seite. Ich bin bestimmt schon hundert Mal in ein New Yorker Taxi gestiegen. Aber heute rutsche ich zum ersten Mal nicht hinten rechts auf die Rückbank. Sondern für einen Tag sitze ich vorn links auf der anderen Seite der schlagfesten Scheibe aus Plexiglas. Denn Manhattan bekommt ein neues Taxi, und wir wollen in einem der ersten 500 Exemplare im Alltagseinsatz ausprobieren, was sich da nach dem Checker’s und dem Ford Crown Victoria zu einer weiteren Ikone im Stadtbild aufschwingen will.

Einfach dürfte das allerdings nicht werden. Weder für den Fahrer noch für sein Fahrzeug. Den Menschen hindert die Erkenntnis, dass es ein himmelweiter Unterschied ist zwischen einem erfahrenen New-York-Touristen mit solider Ortskenntnis und einem Einheimischen, der wirklich jede Ecke im 10.200 Kilometer langen Straßennetz von Manhattan und den vier anderen Boroughs kennt.

Und die Maschine krankt vor allem an ihrer Form. Denn wo das Checker’s und der „Crown Vic“, wie sie ihn hier alle liebevoll nennen, typische amerikanische Limousinen gewesen sind, in denen man sich immer ein bisschen fühlte wie die Prominenz auf dem Weg zum Ball, ist das Taxi of Tomorrow ein Kastenwagen und der Passagier ein Paket, das achtlos durch die Stadt kutschiert wird.

Das perfekte Taxi?

Dabei hat sich Nissan so viel Mühe gegeben, als die Taxi and Limousine Comission (TLC) der Stadt New York vor fünf Jahren angesichts des bevorstehenden Endes für den Crown Vic den Wettbewerb für das künftige Standardtaxi für Manhattan ausgeschrieben hat.

Über ein Jahr lang haben die Japaner den bei uns als NV200 bekannten Lieferwagen zu dem weiterentwickelt, was sie für das perfekte Taxi halten: Es gibt großzügige Schiebetüren, die einem nicht mehr abgefahren werden, wenn die Fahrgäste sie achtlos öffnen. Der Boden ist so eben und das Dach so hoch, dass man bequem einsteigen und durchrutschen kann. Die Knie schaben dank der größeren Beinfreiheit nicht mehr schmerzhaft an der Trennwand. Die Rückbank bietet so viel Platz, dass jetzt nur noch wirklich Verliebte miteinander kuscheln können.

Und sogar die Hotelpagen sind glücklich, weil sie das Gepäck ihrer Gäste nicht mehr über eine hohe Brüstung in einen kleinen Kofferraum wuchten müssen, sondern sich jetzt zwei riesige Flügeltüren öffnen und dahinter Platz für mehr Einkäufe ist, als selbst die dickste Kreditkarte hergibt. Nur ins Stadtbild will das Auto partout nicht passen. Das Empire State Building steht schließlich auch schon seit 84 Jahren.

Für die Schönheiten dieser Stadt keinen Blick mehr

Aber für solche Betrachtungen fehlt mir am Lenker plötzlich der Sinn. Denn der Platzwechsel ändert auch die Perspektive: Mögen die Fahrgäste vom riesigen Glasdach schwärmen, sich an der glitzernden Spitze des Chrysler Building im Sonnenschein freuen und auf der Brooklyn Bridge aus dem fahrenden Auto heraus mit eigenwilligen Verrenkungen ihre Selfies machen. Ich habe für die Schönheiten dieser Stadt keinen Blick mehr. Sondern ich kämpfe mich durch einen Verkehr, der nie zur Ruhe kommt.

Wenigstens die Angst vor den anderen Autos verliert man nach wenigen Minuten: Denn Taxifahrer – das merkt man schon an der ersten Kreuzung – haben Narrenfreiheit in New York – oder nehmen sie sich zumindest. Erst noch ein bisschen zögerlich und später mit einer fast diebischen Freude wechselt man ebenso rücksichtslos wie unvermittelt die Spuren, schneidet an Kreuzungen bedenkenlos die ganze Schlange der Linksabbieger, bleibt stehen, wo man will, und dreht auf den wenigen Straßen ohne Einbahnregelung ohne Rücksicht auf Verluste.