Europäische Union

„Östliche Partnerschaft“-Gipfel in Riga

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Wie die EU auf dem Gipfel in Riga versucht, ihr Verhältnis zu Osteuropa neu zu justieren – und dabei die Quadratur des Kreises probiert.

Der Sprecher des russischen Außenministeriums wusste bereits Ende April, was vom EU-Gipfel zur „Östlichen Partnerschaft“ in Riga zu halten sei: „Der Sinn dieser Partnerschaft ist eine scharfe Russlandfeindlichkeit.“ Moskau werde den Gipfel aufmerksam verfolgen, „aber es ist schon jetzt offensichtlich, dass unsere Reaktion ziemlich hart und prinzipiell ausfallen wird“.

Die EU ihrerseits versucht seit Tagen auf allen möglichen Wegen eine Botschaft zu verbreiten, die die Gastgeberin des Gipfeltreffens, die lettische Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma, am Dienstag so formuliert hat: „Wir haben nicht die Absicht, uns gegen Russland oder irgendein anderes Land zu wenden.“ Europäische Diplomaten versuchen den Eindruck zu vermitteln, sie würden am liebsten gar nicht über Russland sprechen: Von den „Nachbarn unserer Nachbarn“ ist dann die Rede, deren Interessen natürlich berücksichtigt werden müssten, wenn die EU die Beziehungen zu ihren Nachbarn gestaltet.

Doch sie kommen nicht daran vorbei, Moskaus Rolle zu thematisieren – schließlich markiert der vorige Gipfel der „Östlichen Partnerschaft“ im November 2013 in Vilnius den Beginn des Konflikts mit Russland, dessen heutige Ausmaße sich in der EU damals kaum jemand vorstellen konnte: Dass der Präsident Viktor Janukowitsch aufgrund russischen Drucks in Vilnius nicht wie geplant ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet hat, löste die Proteste in Kiew aus, auf deren Erfolg Russland mit der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbass reagierte.

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Die EU versucht nun eine Gratwanderung. Sie verurteilt einerseits das russische Vorgehen gegen die Ukraine klar und beharrt darauf, dass die Nachfolgestaaten der Sowjetunion das Recht haben, selbst über ihre außenpolitische Orientierung zu entscheiden- und sie glaubt auch weiter, dass nicht nur ihrem eigenen Interesse, sondern auch dem der Bürger dieser Staaten am besten gedient sei, wenn diese dem europäischen Modell von Demokratie und Rechtsstaat folgten. Andererseits fragt man sich in Brüssel, ob man gegenüber Russland nicht vorsichtiger agieren müsste, um die Lage in der Ukraine zu beruhigen und Eskalationen an anderen Konfliktherden vorzubeugen – etwa in den von Moldau und Georgien abtrünnigen Gebieten, in denen russisches Militär steht.

Vom Gipfel in Riga soll nach dem Willen der EU daher eine doppelte Botschaft ausgehen: an die Länder der „Östlichen Partnerschaft“, dass sie weiter an ihrem Schicksal interessiert ist, und an Russland, dass das auch gegenüber Moskau freundlich gemeint sei. Das freilich kommt der Quadratur des Kreises gleich – und zwar nicht nur wegen des russischen Unwillens, an die friedlichen Absichten der EU zu glauben. Die sechs Länder der „Östlichen Partnerschaft“ – die Ukraine, Moldau, Weißrussland, Georgien, Armenien und Aserbaidschan – haben sehr unterschiedliche Erwartungen an die EU. Zugleich gibt es innerhalb der EU weit auseinanderliegende Ansichten darüber, was man ihnen anbieten soll.

Keine handfesten Zusagen

Die Ukraine, Moldau und Georgien wollen möglichst schnell möglichst nahe an die EU heranrücken. Sie haben Assoziierungsabkommen unterzeichnet und fordern eine deutlich formulierte Perspektive, dass sie ihr eines Tages auch beitreten können. Darin werden sie von Polen und den baltischen Staaten unterstützt. Die Aussicht auf Mitgliedschaft sei als Anreiz nötig, die schwierigen Reformen voranzutreiben, argumentieren die einen wie die anderen. Doch gleichzeitig geht es den EU-Nachbarn wie ihren Fürsprechern in der EU auch darum, den Abschied dieser Länder aus der russischen Einflusssphäre rasch unwiderruflich zu machen.

Große EU-Staaten, allen voran Deutschland, und die Brüsseler Kommission indes halten wenig davon, jetzt über eine Beitrittsperspektive zu diskutieren. Damit würden nur Erwartungen geweckt, die hinterher nicht erfüllt werden könnten, heißt es. Grundsätzlich stehe die EU zwar allen europäischen Staaten offen, doch viel wichtiger sei es, nun mit der Verwirklichung der Assoziierungsabkommen voranzuschreiten, das heißt: mit Reformen in der Ukraine, in Georgien und Moldau.

Handfeste Ergebnisse werden die Staats- und Regierungschefs dieser drei Länder aus Riga nicht mit nach Hause nehmen können. So werden die Ukraine und Georgien nicht die erhoffte – und symbolisch für sie wichtige – Zusage für visumfreien Reiseverkehr mit der EU bekommen. Ihnen wird nur in Aussicht gestellt, dass sich die Kommission Ende des Jahres dafür aussprechen könnte, falls beide Länder die dafür nötigen Veränderungen im gleichen Tempo wie bisher vorantreiben.