Mode & Design

Jenseits des Laufstegs: Das Model ohne Namen

• Bookmarks: 3


Sigi Buchsbaum hat eine Karriere jenseits des Laufstegs hingelegt. Man kennt ihr Gesicht aus Katalogen, Broschüren und von Anzeigen. Bei Heidi Klum wäre sie wohl nicht gelandet, erfolgreich ist sie trotzdem. Ein Treffen in Hamburg.

Das erste Mal traf ich Sigi Buchsbaum in der realen Welt. Ich brauchte eine neue Brille und stand in einem kleinen, aber trendigen Optikergeschäft in Frankfurt. Wie immer war ich nervös. Brillekaufen ist wie zum Friseur gehen, nur noch schlimmer. Haare wachsen nach, die Brille bleibt erst mal, wo sie ist: mitten im Gesicht. Ich betrachtete die Designerbrillen in den Regalen, als sich aus einem der Hinterzimmer eine große schlanke Gestalt mit braunen Locken näherte. „Kann ich helfen?“ Sie lächelte mich aufmunternd an, während sich kleine Fältchen um ihre Augen kräuselten. Ein Lächeln, das man in Modelkreisen ein „Million-Dollar-Smile“ nennt, irgendwie zu schön für einen Optikerladen in Frankfurt-Bockenheim. Ich entschied mich für eine dezente Brille mit schwarzem Rahmen und kam noch einmal, um sie richten zu lassen. Ich war zufrieden. Sie lächelte wieder. Das ist 15 Jahre her.

„Hallo, hier ist Sigi Buchsbaum. Klappt das gleich?“ Ich stehe an der U-Bahn-Haltestelle Jungfernstieg und höre zum ersten Mal ihre Stimme wieder. Ich bin auf dem Weg zum Treffen mit der Optikerin von damals, in einem Restaurant am Eppendorfer Baum. Auf seltsame Weise habe ich diese Frau nicht aus den Augen verloren. Ich sah sie nicht mehr bei meinem Optiker, sondern auf Plakatwänden und in Katalogen. Sie warb für Banken, die Bahn, für Brillengestelle, Arzneimittel, Hotels, Kreuzfahrten, für Pyjamas und Socken. Sie war jetzt ein Werbemodel, und ich fragte mich, warum. Also machte ich mich auf die Suche.

Von der Optikerin zum Model

Ein bisschen kommt es mir an diesem Morgen in Hamburg vor, als träfe ich jemanden, den ich auf einem Datingportal kennengelernt hätte. „Bist du jetzt eine Stalkerin?“, hatte mich ein Hamburger Freund gefragt, als ich ihm von dem Treffen erzählte. „Quatsch“, entgegnete ich entrüstet, „ich will einfach nur wissen, wer diese Frau ist, die mich seit über einem Jahrzehnt begleitet.“ Und wie man von der Optikerin zum Model wird. Heidi Klum oder Claudia Schiffer sind ja so was wie gute Bekannte. Man weiß, wie viele Kinder sie haben, wo sie wohnen, wen sie lieben. Sie geben Interviews, machen Fernsehshows, flanieren auf roten Teppichen. Aber die Optikermeisterin aus Frankfurt – die blieb für mich das Model ohne Namen.

Bei der Agentur Talents in München wurde ich fündig: Sigi Buchsbaum – Augenfarbe: braun – Größe: 1,80 Meter – Kleidergröße: 38. Auf ihrer Sedcard sieht man sie mit wehenden Haaren, mit Brille, auf einem Sofa liegend. Auf 90 Prozent der Fotos lächelt sie.

Die Sonne hat sich durch die Wolken gekämpft, Hamburg wie immer – wechselhaft mit freundlichen Abschnitten. Ich warte kurz draußen vor dem Restaurant. Ein Summen im Handy: „Sitze drinnen!“ Zum Glück weiß ich, wie Sigi aussieht. Und es ist zum Glück egal, wie ich aussehe – ist schließlich kein Date! Sie wenigstens kann also nicht enttäuscht sein. Ich vielleicht schon? Von ihrem Aussehen sicher nicht, das merke ich sofort, als ich sie an einem Tisch am Fenster erkenne. Sie sieht noch besser als auf den Fotos aus und nicht mehr so seriös wie damals beim Optiker. Ihre Haut ist gebräunt, sie trägt eine weite Bluse zu Jeans, als wäre sie gerade aus dem Urlaub gekommen. Als ich in ihre Richtung gehe, winkt sie – und lächelt.