Gesellschaft

Mundgeruch: Komm mir ja nicht zu nah!

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Schlechten Atem hat jeder mal, aber es gibt Menschen, die dauerhaft darunter leiden. Da Mundgeruch ein Tabuthema ist, suchen sie sich oft erst spät Hilfe, dabei gibt es gute Therapien – man muss nur offen darüber sprechen.

Ein sicheres Mittel, den Nebenmann auf Abstand zu halten, ist bekanntlich der Genuss eines Döners. Gegen diese lästigen unsozialen Folgen der Brottasche mit Fleischfüllung wollten unlängst zwei Studenten aus Bremen etwas tun und erfanden kurzum eine Limonade gegen Mundgeruch. Hauptbestandteil des Getränks ist ein Wirkstoff, der schon aus Dragees gegen Mundgeruch bekannt ist: Chlorophyll, der Farbstoff des Blattgrüns. Ob er tatsächlich gegen Mundgeruch taugt, ist allerdings nach Meinung des Mundgeruchexperten Andreas Filippi von der Universität Basel eher fraglich. „Zur Wirkung von Chlorophyll gibt es keine Studien, die auch nur mittelmäßige Qualität hätten.“

Das Gute an Dönermief ist: Er verfliegt nach einer Weile wieder. Doch es gibt Menschen, die dauerhaft unter schlechtem Atem leiden. Etwa 25 Prozent der Bevölkerung haben zu bestimmten Tageszeiten dieses Problem, etwa fünf bis sechs Prozent leiden immer darunter. Mediziner sprechen in diesen Fällen von „Halitosis“.

Vielen Betroffenen geht es dann so wie Pia Rudolf. Die junge Frau begleitet der Mundgeruch seit Jahren, mal weniger, mal mehr spürbar. Aber los bekommt sie ihn nie. Ihren richtigen Namen will sie nicht in der Zeitung lesen, denn „ich kann mich selbst nicht mehr ausstehen damit!“, klagt sie. Fünfmal täglich putzt sie sich die Zähne, sogar auf der Arbeit hat sie eine Zahnbürste liegen, Zahnseide ist ihr ständiger Begleiter. Bis zum Gastroenterologen ist sie schon gegangen bei der Ursachenforschung – ohne Erfolg.

Andreas Filippi, der auch Mitglied des Arbeitskreises Halitosis der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde ist, weiß aus seiner Praxis: „Viel zu oft wird unnötig eine Magenspiegelung gemacht.“ Im Verdauungssystem liegt das Problem aber nur in seltenen Fällen. „Wir haben festgestellt, dass die Annahme, Mundgeruch sei primär ein Problem von Magen und Darm, unter Ärzten und Patienten noch immer weit verbreitet ist“, schildert Filippi.

Viele Therapien sind nutzlos

Viele Haus- und Zahnärzte seien hilflos, wenn Patienten ihnen ihr Problem klagten. Zu oft würden pauschale Behandlungskonzepte empfohlen, die nicht helfen, sondern nur Zeit und Geld kosten. Manchmal komme es sogar zu operativen, aber unnötigen Diagnosemethoden oder unnützen Therapien, beispielsweise der Entnahme von Gewebeproben aus Magen und Darm oder dem laserchirurgische Glätten der Rachenmandeln. Für solche Eingriffe gebe es keine wissenschaftlichen Belege, „und sie helfen den Patienten letztlich nicht“, beklagt Filippi. Dabei habe es in den letzten Jahren einen enormen Wissenszuwachs auf dem Gebiet gegeben, der nur den Weg in die Praxis finden müsse.

Experten sind sich inzwischen einig, dass die Ursache zu etwa 90 Prozent im Mund zu finden ist. Das bestätigt auch eine aktuelle Untersuchung des Medizinischen Zentrums der Radboud-Universität im niederländischen Nijmegen an über 900 Menschen. „Wer unter Mundgeruch leidet, sollte zunächst mit einem Zahnarzt reden“, rät Studienleiter Cees de Baat, selbst Zahnarzt.

Der Mundraum mit seinem feucht-warmen Milieu bietet naturgemäß ideale Lebensbedingungen für Bakterien. Für den schlechten Geruch sind vor allem gram-negative Bakterien verantwortlich, die im anaeroben Bereich arbeiten. Diese Fäulnisbakterien bauen Speisereste oder abgestorbene Schleimhautzellen ab und setzen dabei Gase frei. Vor allem die schwefelhaltigen sind es, die „höllisch“ riechen. Besonders wohl fühlen sich die kleinen Mitbewohner in Vertiefungen wie sie Zahnfleischtaschen bei Parodontose, aber auch die Zunge oder zerklüftete Mandeln bieten. Wo viele dieser Bakterien am Werk sind, entsteht auch viel Geruch.

Schlechter Atem beeinflusst Psyche der Betroffenen

Der Einfluss des Mundgeruchs auf die Psyche vieler Betroffener darf nicht unterschätzt werden. Es ist das Leid hinter dem Leid. „Viele Patienten mit Mundgeruch haben einen enormen Leidensdruck. Sie trauen sich nicht einmal, ihrem Arzt davon zu erzählen“, berichtet Filippi. Er bekommt in seiner E-Mail-Sprechstunde eine Menge Anfragen von verzweifelten Patienten, die sich in der Anonymität eher trauen, ihr Problem zu schildern.

„Man muss nicht damit leben“, ermutigt Filippi Betroffene immer, sich Hilfe zu suchen. Wer bei seiner gewohnten Zahnarztpraxis nicht weiterkomme oder sich dort nicht „outen“ wolle, könne auch eine Spezial-Sprechstunde aufsuchen. Das sei auch deshalb sinnvoll, weil es ungefähr 200 mögliche Ursachen für schlechten Atem allein in der Mundhöhle gebe. Um auf die richtige Spur zu kommen, hat Filippi einen Fragebogen entwickelt, den man in die Mundgeruch-Sprechstunden mitbringen kann.