Gesellschaft

System-Check: Der beste Arzt

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Es gibt für alles eine App, für das Wetter genauso wie für das Busticket. Manche versprechen sogar, uns gesund zu machen. Unsere Kolumnistin berichtet aus ihrem Alltag mit diesen Apps. Dieses Mal: einen guten Arzt finden.

Ein aufgerissener Mund und eine Bohrmaschine, deren Bohrkopf exakt auf den unteren Schneidezähnen aufliegt. Mit diesem Plakat warb vor ein paar Jahren ein Horrorfilm, und seither schickt mir mein Vorstellungsvermögen einen Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke, besonders wenn ich zum Zahnarzt muss. Als Angstpatient würde ich mich zwar nicht bezeichnen, aber es ist ein mulmiges Gefühl, wenn der Termin näher rückt. Erzähle ich davon, höre ich regelmäßig den gleichen Satz: „Ich gehe seit Jahren zum selben Arzt, dem vertraue ich.“ Ich aber habe in den letzten drei Jahren in sieben Wohnungen gelebt, in drei Städten, jeweils für ein paar Monate. Mietmarkt und Ausbildungszeit sei Dank. Ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen beim Einmalbesuch? Schwierig.

Dafür kenne ich mich seither mit Apps aus, die für mich Ärzte suchen. Es gibt einige Datenbanken, ein paar Krankenkassen und sogar die Kassenärztliche Bundesvereinigung wurde als App umgesetzt. Praktisch daran: Das Smartphone lokalisiert meinen Standort und zeigt Ärzte nach Entfernung gelistet an- mit zwei Taps kann ich nach Fachgebiet suchen und die Liste abtelefonieren. Eine Revolution ist das nicht, aber als der linke Backenzahn nicht mehr schmerzt, sondern pocht, bin ich schon über eine Adresse froh.

Der Zahnarzt sagt drei Sätze

Neun Ärzte pro Schicht, volles Wartezimmer, mein Backenzahn ist hier erst eine Nummer – und dann der Zahn vom Plakat. Während einer Dreiviertelstunde Behandlung sagt der junge Zahnarzt drei Sätze. „Hallo“, „Was ist denn los?“ und „Wir bohren jetzt.“ Keine Erklärung, keine Beruhigung, die Spritze wirkt nicht, er bohrt, ich wimmere, er spritzt häufiger, als er spricht. Die Kreissäge schreit in meinem Mund, ich presse meine Fingerspitzen in den Oberschenkel. Nach einer Stunde wanke ich durchgeschwitzt heim.

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Seit diesem Erlebnis bin ich dankbar, dass irgendwer mal Online-Bewertungsportale für Ärzte erfunden hat. Zu einem der größten dieser Portale ist „Jameda“ angewachsen. Die gleichnamige App kann nicht nur Ärzte suchen wie die anderen, sondern verbindet sie mit von Patienten verfassten Bewertungen.

23 Zahnärzte spuckt die Suche im Kilometer-Umkreis aus. Sechs haben die Schulnote 1,0, es gibt aber auch 2,8 oder 5,6. Die Qualität dieser Durchschnittszahl schwankt von einer bis zu 88 Patientenbewertungen. Als die Zähne auf der anderen Kieferseite pochen, rufe ich bei dem Arzt an, den 88 Menschen online super finden. Nummer, Adresse und Öffnungszeiten sind gleich in der App hinterlegt, auch super, die Ansage am Telefon aber nicht: „Termin erst in drei Wochen. Wir sind voll.“

Es geht auch ohne Schmerzen

Der Backenzahn pocht aber jetzt, also weiter suchen. In der Jameda-App stehen Stichworte wie „sehr freundlich und kompetent“, „besser geht’s nicht“, „super Zahnarzt!“, Note 1,0 bei 26 Bewertungen. Ich könnte sogar direkt in der App nach einem Termin fragen, die Antwort kommt je nach Wunsch per Mail oder telefonisch. Weil gerade noch Sprechstunde ist, rufe ich aber an: „Schmerzen? Kommen Sie morgen früh.“ Fast eine Stunde nimmt sich der Zahnarzt allein für die Untersuchung Zeit, wieder muss gebohrt werden. Die Spritze wirkt- als ich kurz zucke, stoppt er, fragt nach, erklärt, beruhigt. Nach einer weiteren Stunde habe ich weder Zahn- noch Handschmerzen.

Während sich die Betäubung kribbelnd aus meiner Lippe verabschiedet, tippe ich eine 1,0 in die App, schreibe „Super!“ dazu, und mir fällt auf: Ich habe nicht ein Mal ans Plakat gedacht. Das muss dieses Vertrauen sein.