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Kapitalmarkt-WM: Australien ist Weltmeister

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Bevor am Abend der Ball bei der WM rollt, ist die Kapitalmarkt-WM schon entschieden. Der neue Weltmeister ist Australien nach einem knappen Sieg gegen Kroatien.

Jedesmal, wenn ein großes Fußballturnier beginnt, laufen Analysten und andere Prognose-Experten zu großer Form auf. Die Interseite fussballmathe.de stellt ein Prognosemodell und eine Simulation zur Verfügung, wonach wahrscheinlich Brasilien Weltmeister wird. Der Spielehersteller Electronic Arts hat das Turnier als Videospiel simuliert und sieht Deutschland vorne. Fußballprognostiker Harry Ardelt hat zuletzt ein Finale Brasilien-Spanien ermittelt, in dem die Chancen gleich verteilt sind. Finanziell müssten es Deutschland und Spanien sein und die Direktbank DAB sieht Argentinien als Weltmeister. Indikator ist die Entwicklung des Aktienmarkts.

Auch FAZ.NET hat sein eigenes Prognosemodell. In der Kapitalmarkt-WM treten die Aktien- und Anleihenmärkte der Endrundenteilnehmer gegeneinander an. Kommt es zu einem Unentschieden entscheidet die relative Wertentwicklung der nationalen Währungen. Für den Aktienmarkt gelten als Tore: das niedrigere geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis, die höhere Dividendenrendite und die bessere Wertentwicklung seit dem WM-Finale 2010. Auf der Anleihenseite entscheidet das bessere Rating und die niedrigeren Kreditabsicherungskosten der Staatsanleihen sowie die höhere Rendite und bessere Renditeentwicklung der zehnjährigen Staatsanleihen seit dem Finale 2008.

2010 hätte demnach Brasilien Weltmeister werden müssen, Deutschland wäre der Vize-Titel geblieben. Zumindest letzteres kam der Wirklichkeit sehr nahe. 2012 bei der Europameisterschaft hätte sich anhand des Kapitalmarkts England gegen Schweden durchgesetzt. Schweden überlebte aber die Gruppenphase nicht. Aber eines war wieder richtig: Deutschland schied im Halbfinale aus.

Geht es nach der aktuellen Kapitalmarkt-WM, kann Jogi Löws Truppe sich wohl schon mit dem Kofferpacken vertraut machen. Nach einer ordentlichen Vorrunde, wo Deutschland nur gegen Ghana Federn lassen muss, ist im Achtelfinale Schluss – gegen den späteren Vierten Belgien.

Überhaupt zeigt sich: Die Zeit seit der letzten WM 2010 in Südafrika hat an den Kapitalmärkten den Randmärkten gehört. Denn Weltmeister wird Australien, das sich im Finale nach Verlängerung gegen Kroatien durchsetzt (NB: Am 6. Juni gewann Kroatien noch 1:0 im Fußball). Belgien unterliegt im kleinen Finale Südkorea, gleichfalls nach Verlängerung (NB: Das bisher letzte Fußballspiel der beiden gewannen 1999 die Belgier mit 2:1). Als einziger Südamerikaner erreicht Kolumbien das Viertelfinale, in dem von den großen Fußballnationen auch Frankreich und England passen müssen. Spanien und Portugal überleben dagegen die Vorrunde nicht.

Betrachtet man die Ergebnisse näher, so überraschen sie letztlich nicht. Durchgesetzt haben sich sozusagen die Kompromisse. Belgien gehört zwar nicht zur europäischen Peripherie, ist aber dennoch ein Schuldenland, dessen politischen Verhältnisse stabiler sein könnten: sicheres Investment mit einer Prise Nervenkitzel. Ähnliches gilt für Südkorea: eigentlich ein Industrieland, aber immer noch mit dem leisen Flair eines Schwellenlandes und Tigerstaats. Und Australien ist eine China-Wette mit Fallschirm.

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Nur Kroatien scheint etwas aus der Reihe zu fallen. Aber auch der Adriastaat birgt den Charme eines reformbedürftigen Entdeckermarktes mit Potential – aber es gehört zur EU und ist nicht ganz so unerschlossen wie der Nachbar Bosnien-Herzegowina. Das Länder wie dieses oder auch Honduras, Iran oder die Elfenbeinküste keine Chance haben, liegt in der Natur der Sache. Bosnische Staatsanleihen werden international nicht gehandelt, iranische schon aus Prinzip nicht (Stichwort Sanktionen). Und die praktisch nicht gehandelte Anleihe der Elfenbeinküste hat sich zwar seit der Umschuldung und dem Bürgerkriegsende erholt, aber ein Rating hat das Land nicht. Zudem ist der Aktienmarkt hoch bewertet und die Dividendenrenditen mickrig.

Dagegen haben sich die Aktien- und Anleihenmärkte der Industrieländer wie Deutschland recht ordentlich entwickelt. Die Aktienmärkte sind moderat bewertet, die Dividendenrenditen ganz anständig. Die Ratings sind gut, aber die Renditen der Staatsanleihen mickrig. Solide Leistungen – aber das reicht eben nicht zum Sieg gegen dynamischere Märkte. Schwellenländer wie Russland oder Brasilien sind dagegen problematisch. Günstigen Bewertungen der Aktienmärkte, hohen Dividenden- und Anleiherenditen stehen schwache Wertentwicklungen und mittelprächtige Ratings gegenüber. Unter den 32 WM-Teilnehmern rangieren Russland und Brasilien eben nur auf den Plätzen 15 und 16.

Gut gezockt ist halb gewonnen

Wie immer zeigt sich in der Gesamtschau, dass hohe Risiken vor allem an den Aktienmärkten entlohnt werden können. Die beste Wertentwicklung weisen mit Abstand Iran, Argentinien und Ghana auf. Dann folgen schon die Vereinigten Staaten, denen neben einer hohen Bewertung der Aktienmärkte vor allem die eher schwache Entwicklung der Staatsanleihenrenditen zum Verhängnis wird.

Auch hier gilt ansonsten: gut gezockt ist halb gewonnen. Ecuadorianische Anleihen haben die höchsten Renditen abgeworfen. Das ist allein 2014 zu verdanken. In diesem Jahr ging es mit dem Kurs der 2030 fälligen Anleihe von 20 auf 70 Prozent nach oben. Ecuador, das 2008 die Zahlungen auf einige Staatsanleihen einstellte, hat vor einigen Monaten Interesse bekundet, neue Anleihen zu begeben und deswegen Alt-Anleihen zurückgekauft. Dadurch fielen die Renditen um rund 35 Prozentpunkte, was die mehr als 4 Prozentpunkte für Staatsanleihen der Elfenbeinküste und Ghanas deutlich in den Schatten stellt.