Gesellschaft

Super Hypochonder: Komiker aus Frankreich Dany Boon

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Mit „Willkommen bei den Schti’s“ wurde Dany Boon zum Star, auch in Deutschland. Wer ist der Mann, der aus der Armut kam und heute Frankreichs populärster Komiker ist?

Wenn Dany Boon sich im Geist auf die Bühne versetzt, weicht die Anspannung aus seinem Gesicht. „Ich höre das Lachen des Publikums“, flüstert er und lächelt, die Augen halb geschlossen, die Lippen leicht geöffnet, als tränke er in vollen Zügen von der Anerkennung aus dem dunklen Saal. Er hat sie oft und gern genossen, gesucht wohl auch. Wie ein Junkie, der den Applaus, die Lacher, die unmittelbare Reaktion auf sein Tun unbedingt braucht. „Das ist fleischlich, menschlich, lebendig“, schwärmt er.

Seit drei Jahren ist Boon, der in den neunziger Jahren als Bühnenkomiker seine Karriere begann, nicht mehr in den großen Hallen wie dem legendären Pariser Olympia aufgetreten. Früher, als er anfing, Filme zu drehen, erst nur als Schauspieler, seit 2006 auch als Autor, Regisseur, Darsteller, Produzent seiner eigenen Ideen, hat er das immer zwischen seine Auftritte gepackt. „Es fehlt mir“, sagt er jetzt, beim Interview in einem Berliner Hotel. Ende 2016, das hat er sich vorgenommen, wird es wieder eine große „One-Man-Show“ geben, wie die Franzosen auf gut Englisch solche Kabarett-Solos nennen.

Wenn einer seiner Filme läuft, geht Boon ins Kino. Manchmal, um die Reaktionen zu testen, bevor der Film startet. Manchmal aber auch, weil er den Kontakt zum Publikum sucht. Auch als Ende Februar sein vierter großer Film in Frankreich angelaufen ist, war er im Kino. Zwei Millionen Zuschauer allein in der ersten Woche: Davon können europäische Filme in der Regel nur träumen. Boon aber, Jahrgang 1966, verheiratet, fünf Kinder aus unterschiedlichen Beziehungen, ist der bislang erfolgreichste französische Filmregisseur und Darsteller.

Der Nachfolger des großen Louis de Funés

Mit seinem zweiten Film als Autor, Regisseur und Darsteller, „Bienvenue chez les Ch’tis“ („Willkommen bei den Sch’tis“), hat Boon 2008 alle Rekorde gebrochen: Mehr als 20 Millionen Zuschauer haben die Komödie über den südfranzösischen Postbeamten gesehen, der zu den „Ch’tis“ an die belgisch-französische Grenze versetzt wird. Nicht die Nouvelle Vague oder die großen Autoren, Aushängeschilder der sprichwörtlichen französischen Filmkultur, machen das historische Rennen. Einzig einen vergleichbaren Erfolg hat es 1966 gegeben: 17 Millionen Zuschauer sahen „La grande vadrouille“ („Die große Sause“), eine Komödie, die im Zweiten Weltkrieg spielt. In einer Hauptrolle: Louis de Funès, den gerade die Deutschen als Inbegriff des französischen Komikers verehren.

Vom Thron gestoßen hat ihn Boon, der vielen als Nachfolger des großen de Funès gilt. Was von anderen umso erbitterter bestritten wird. Immerhin acht Millionen Zuschauer, wieder ein weit überdurchschnittlicher Erfolg, hatte der „Ch’ti“-Nachfolger „Rien à déclarer“ („Nichts zu verzollen“). Auch dieser Film spielt in der Region, an die zuvor allenfalls jemand einen Gedanken verschwendet hätte, um einen Witz über den unmöglichen Dialekt der „Ch’tis“ genannten Bewohner und das unmögliche Wetter dort zu machen: Boons Heimat Nord-Pas-de-Calais, wo man Ch’ti spricht, eine Unterart des Pikardischen, die so heißt, weil sie so klingt – voller Zischlaute und Nasale, die sogar Franzosen erstaunen. Auch Charles de Gaulle kommt aus der Region – das weiß bloß fast keiner. Der berühmteste Nordfranzose ist seit geraumer Zeit Dany Boon.

Nicht, dass nicht auch Boon selbst die Klischees nutzen würde: Sein Bühnensolo über den „Wayka“, eine Verballhornung des K-Way-Regencapes, das Boon als eine Art zweite Haut des Ch’ti beschreibt, hat Kultstatus, und als er 2003 das Solo „A s’baraque et en ch’ti“ als DVD herausbrachte, kauften sie Hunderttausende.