Die Gegenwart

Föderalismus: Wie verteilt man 640 Milliarden Euro?

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Der vieldiskutierte Länderfinanzausgleich bezieht sich gerade einmal auf 1,25 Prozent des Steueraufkommens. Die Kommission, die eine bundesstaatliche Finanzreform ausarbeiten soll, hat einen wesentlich weiteren Horizont. Viel ändern dürfte – und sollte – sich aber nicht.

Zum Jahreswechsel 2019/2020 müssen die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern sowie der Länderfinanzausgleich neu geregelt sein. Daher will die große Koalition eine Kommission einrichten, in der Bund und Länder vertreten sind und in die Vertreter der Kommunen einbezogen werden sollen. Grundsätzlich geht es dabei um Geld, etwa für die Bildungspolitik, aber auch um die künftige Aufgaben(ver)teilung. Bei den Geld-, sprich: Steuerfragen soll es nicht nur um die schlichte Verteilung gehen, sondern um eine Überprüfung der Spielregeln, wer künftig was zu bezahlen hat. Verhandelt werden soll über die Voraussetzungen für die Konsolidierung und die dauerhafte Einhaltung der neuen Schuldenregeln in den Länderhaushalten, über die Einnahme- und Aufgabenverteilung und Eigenverantwortung der föderalen Ebenen, über Altschulden, Finanzierungsmodalitäten und Zinslasten, über die Zukunft des Solidaritätszuschlags, über künftige Förderprogramme für strukturschwache Regionen, die Finanzierung der Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs und des kommunalen Straßenbaus sowie über eine neue Grundlage für die Regionalisierungsmittel.

In der näheren Zukunft geht es aber nicht nur um politisches Agieren, sondern auch um verfassungsprozessuales Vorgehen. Denn die Landesregierungen von Bayern und Hessen, die den bis zum Jahr 2019 geltenden Länderfinanzausgleich im Jahr 2001 mit beschlossen haben, versuchen seit dem vergangenen Frühjahr, dieses Verfahren durch ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall zu bringen.

Die angestrebte Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Kommunen steht unter dem Vorbehalt, dass eine Neuregelung keinen einzigen Euro mehr für den öffentlichen Gesamthaushalt zu schöpfen vermag. Nur die Verteilungsmechanismen, Anreiz- und Ausgleichswirkungen können in der Hoffnung verändert werden, durch ein neues System zu mehr Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit zu gelangen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind folgende Ausgangspositionen zu nennen:

Der Bund verweist immer wieder darauf, dass er schon jetzt – gemessen an den ihm zufließenden Steuereinnahmen und den von ihm zu tätigenden Ausgaben – bei weitem die höchste Verschuldung aufweist. Sollte sich das derzeit für Schuldner extrem günstige Zinsniveau wieder normalisieren, wäre der Bund also der Hauptbetroffene. Andererseits wird der Bund seit einigen Jahren durch die bis Ende 2019 stufenweise zurückgehenden und ab 2020 vollständig entfallenden Aufwendungen für den Solidarpakt deutlich entlastet. Der Solidaritätszuschlag wird ihm dagegen weiterhin vollständig zugute kommen.

Für die 16 Länder sowie die Städte, Kreise und Gemeinde gilt, dass Durchschnittswerte, die für die Länder und Kommunen ermittelt werden, wenig aussagekräftig sind- zu unterschiedlich sind die Finanzierungspotentiale einzelner Länder und Kommunen. Den Ländern und Kommunen ist es bisher gelungen, diese Unterschiedlichkeit nicht nur als horizontales Verteilungsproblem innerhalb der jeweiligen Ebene erscheinen zu lassen, sondern als gesamtstaatliches Problem.