Die Gegenwart

Drohnenkrieg: Leben unter Drohnen

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Die Befürworter des Einsatzes unbemannter bewaffneter Luftfahrzeuge sind um Argumente nicht verlegen. Die Gegner auch nicht. Woran sollen sich Gesellschaft und Politik halten?

Am 11. November 2010 erhalten deutsche Soldaten in Afghanistan die Information, Aufständische seien dabei, an einer Straße Sprengfallen zu errichten. Die Bundeswehr fordert amerikanische Luftunterstützung an. Nach dem Einsatz einer bewaffneten Drohne sind vier Aufständische tot. Hätten statt einer Drohne deutsche Soldaten in den Kampf geschickt werden sollen? Kein deutscher Soldat und keine Zivilisten wurden verletzt. Und wäre es nicht sinnvoll, dass die Bundeswehr eigene bewaffnete Drohnen einsetzen könnte?

Die nachstehenden Überlegungen ergreifen keine abschließende Position für oder gegen die Beschaffung bewaffneter Drohnen. Aber sie wollen deutlich machen, dass diese Diskussion einen ganzen Komplex von Fragen aufwirft – und dies nicht nur auf militärisch-taktischer Ebene. Die Abschreckungsdebatte des Kalten Krieges lehrt, dass Waffen nicht nur militärisch, sondern auch politisch gebraucht werden, und das schon mit der Bereitstellung. Den Drohnen und der Weise ihrer Verwendung kommt aber darüber hinaus auch völkerrechtsgestaltende Bedeutung zu. Völkerrecht steht in einem Verhältnis zur Staatenpraxis: Handlungen und die geäußerte Rechtsmeinung von Staaten verändern Völkerrecht. Die Art und Weise, wie bewaffnete Drohnen eingesetzt werden und werden können, berührt das Konfliktvölkerrecht auf beiden grundlegenden Ebenen: Es geht um die Regeln für die Anwendung von Gewalt in bewaffneten Konflikten („Recht im Krieg“- ius in bello) und um Regeln, wann überhaupt zur Gewalt gegriffen werden darf („Recht zum Krieg“- ius ad bellum). Damit geht es aber auch um die zukünftige Bedeutung von normativen Begriffen, die bislang die Völkerrechtsordnung geprägt haben, etwa den der Souveränität der Staaten.

„Die Drohne schützt die eigene Truppe.“ So lässt sich der erste Teil des Hauptarguments formulieren, das von den Befürwortern des Einsatzes von unbemannten bewaffneten Luftfahrzeugen der sogenannten MALE-Klasse (Medium Altitude Long Endurance) wie den amerikanischen Modellen „Reaper“ und „Predator“ ins Feld geführt wird. Die eigene Truppe wird geschützt, weil sie sich nicht mehr selbst dem Gegner direkt aussetzen muss. („Force Protection“). Der zweite Teil besagt: Auch die Zivilisten am Ort profitieren. Drohnen sind näher am Geschehen: So können bessere Aufklärungsbilder gewonnen, militärische Ziele mit größerer Sicherheit identifiziert und vorhandene Bewaffnung präziser eingesetzt werden. Zudem können Drohnen länger vor Ort sein als bemannte Flugzeuge, die Reaktionszeiten zwischen Aufklärung und Einsatz der Waffe sind deutlich verkürzt, und der Drohnenbediener – der sogenannte „Drohnenpilot“ – kann abgeklärtere Entscheidungen treffen, weil er selbst nicht existentiell gefährdet ist. Es gäbe, so meinen einige der Befürworter, nachdem diese Technik nun einmal entwickelt wurde, eine ethische Verpflichtung, sie zum Einsatz zu bringen. Wie es unverantwortlich wäre, einen Schwerverletzten mit der Kutsche in ein Krankenhaus zu bringen, wenn moderne Rettungswagen zur Verfügung stünden, sei es gleichermaßen unverantwortlich, unsere Soldaten nicht durch Drohnen zu schützen.