Mensch & Gene

Muskeln aus dem Jungbrunnen

• Bookmarks: 2


Aus Alt mach Neu: Selbst in verbrauchten Muskeln lagern noch Zellen mit gewaltigen Potential: Amerikanische Forscher haben die Muskelmasse von Mäusen verjüngt – zu Therapiezwecken am Menschen.

Es klingt wie ein medizinisch-karitatives Projekt für alte und gebrechliche Menschen, genauso gut aber könnte es die Basis eines Forschungsprogramms für systematisches Muskeldoping werden: Lahme, alte Muskelfasern werden durch die runderneuerte elastische Muskulatur aus dem eigenen Körpergewebe ersetzt. Dieser Schritt ist jetzt zwei amerikanischen Forschungsteams an der Stanford University School of Medicine und der University of Colorado gelungen – wenn auch vorerst nur in Experimenten mit Labormäusen.

Die Versuche in den amerikanischen Laboratorien machen einmal mehr deutlich, dass die Möglichkeit eines einfachen Gendopings für Leistungssportler mit körpereigenem Zellmaterial keineswegs ein Hirngespinst ist, sondern schon heute im Bereich des Möglichen liegt – und das mit erstaunlich wenigen Eingriffen angewendet werden könnte.

Schon früher waren Substanzen getestet und bekannt worden, welche die Aktivität bestimmter Gene steuern und so direkt auf die Leistungsfähigkeit des Gewebes nehmen. Das betraf vor allem Gene des Fettsäure- und Glucosestoffwech­sel in Leber und Muskeln, die pharmakologisch beeinflusst werden sollten. Einige der klinisch erprobten Substanzen sind der Weltdopingagentur Wada auch schon bekannt oder werden geregelt.

Im aktuellen Fall geht es um einen neuen Wirkmechanismus. Ausgangspunkt sind körpereigene Stammzellen, die durch Manipulation der Informationswege in den Muskelzellen vermehrt und verjüngt werden. Bei den beiden amerikanischen Forscherteams sind die als Satellitenzellen bekannten Stammzellen das Ziel. In geringer Zahl sitzen diese Stammzellen zwischen den Muskelfasern im Körper. Auf ein Signal hin können sich diese Vorläuferzellen vermehren und umwandeln in funktionsfähige Muskelzellen. In jungen Jahren bilden sie tatsächlich ein großes Reservoir für die Nachbildung immer neuer Muskelzellen. Sobald Teile eines Muskels untergehen oder verletzt werden, liefern die Satellitenzellen neue Fasern nach.

Dieses Erneuerungspotential besteht im Grunde das ganze Leben. Allerdings ist im älteren Körper der größte Teil dieser Muskelstammzellen schon nicht mehr intakt, der Muskelersatz stagniert – was dazu führt, dass der Muskelverlust vielen älteren Menschen die Bewegungsfähigkeit stark einschränkt oder ganz nimmt. Eine medikamentöse Therapie für Fälle, in denen dieser Muskelverlust mitunter sogar lebensgefährlich werden könnte, gibt es bislang nicht.

Die Forscher um Helen Blau aus Stanford haben in ihrer Publikation in der Zeitschrift „Nature Medicine“ gezeigt, dass schon ein einziger Signalweg entscheidend für die Erneuerung ist. Schaltet man diesen als „38-MAPK“ bekannten und von einer Proteinkinase gesteuerten Signalweg in den Muskelstammzellen aus, was durch Zugabe eines entsprechenden Hemmstoffs gelingt, legt ein Teil des genetische Entwicklungsprogramms in den Zellen einen Neustart hin. Kultiviert man diese Stammzellen dann auf einem porösen Hydrogel, das die Elastizität von jungen Muskeln besitzt, vermehren sich die Stammzellen plötzlich auf das Zwanzig- bis Sechzigfache. Sie teilen sich und bringen neue Muskelzellen und elastische Muskelfasern hervor, die nach der Übertragung im Körper der Versuchstiere die gealterten Muskelfasern ersetzten.

Die Ersatzmuskeln müssen also noch in der Petrischale vermehrt werden. Ob die Verjüngung und Vermehrung der Muskeln auch durch einfaches Injizieren eines p38-MAPK-Hemmstoffs gelingt, war noch nicht klar. Bradley Olwin und seine Kollegen von der University of Colorado in Boulder haben in ihrer Veröffentlichung einen recht einfachen pharmakologischen Weg aufgezeigt, wie die zelluläre Verjüngung der Muskelzellen eingeleitet werden könnte. In Mäusen jedenfalls fürs Erste.