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Sicherheitsdienste künden „Anti-Terror“-Einsatz an

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Angeblich wurden Waffendepots durch „extremistische Gruppen“ geplündert. Der Verteidigungsminister hat Soldaten nach Kiew verlegt, trotzdem verharren Tausende auf dem Unabhängigkeitsplatz.

Die Sicherheitsdienste in der Ukraine haben an diesem Mittwoch einen landesweiten „Anti-Terror“-Einsatz angekündigt. Der Nationale Sicherheitsdienst sowie das Zentrum für Terrorabwehr hätten die Entscheidung für diesen Einsatz getroffen, heißt es in einer Erklärung des Vorsitzenden der Sicherheitsdienste, Oleksander Jakimenko.

Zahlreiche Verwaltungsgebäude seien in den vergangenen Stunden gestürmt worden. Dabei seien Waffen und Munitionsdepots „von extremistischen Gruppen“ geplündert worden, begründen die Behörden den Schritt. „Die extremistischen und radikalen Gruppen bedrohen durch ihre Handlungen das Leben von Millionen Ukrainern“, heißt es weiter.

Tausende Demonstranten harren weiter aus

Unterdessen kommt Kiew nicht zur Ruhe. Etwa 5000 Menschen verharren weiter auf dem Unabhängigkeitsplatz, dem Majdan, im Zentrum Kiews. Unablässig spritzt die Polizei mit starken Wasserwerfern in die Menge, die sich mit behelfsmäßigen Schilden zu schützen versucht. Feuerwerkskörper und Brandsätze fliegen regelmäßig auf die Reihen der schwer bewaffneten Sicherheitskräfte. Von einer Bühne aus fordern Redner die Regierungsgegner zum Durchhalten auf.

Immer wieder erklingt die Nationalhymne. Pastorale Choräle hallen über den strategisch wichtigen Majdan. Unablässig wabern Gerüchte über einen baldigen Sturm des Platzes durch das Internet. Frauen und Kinder sind auf den Straßen in Kiews Zentrum kaum zu sehen. An vielen Ecken wachen Verkehrspolizisten mit automatischen Waffen.

Der Rest der Innenstadt wirkt wie ausgestorben, Geschäfte bleiben nach einem Aufruf der Behörden zu einem Ruhetag ebenso geschlossen wie Schulen und Kindergärten. Auch die U-Bahn steht still. Viele in Kiew rechnen damit, dass Präsident Viktor Janukowitsch schon bald den Ausnahmezustand erklärt. Dann könnte er etwa das Militär einsetzen, das sich bisher aus dem Machtkampf heraushält.

Beobachter rechnen mit noch mehr Toten

Bisher sind nach offiziellen Angaben allein in Kiew 26 Menschen bei den Ausschreitungen ums Leben gekommen – Demonstranten wie Polizisten, darunter auch Schussopfer. Doch Beobachter befürchten noch mehr Tote. Zudem sind offenbar mehr als 1000 Demonstranten sowie 300 Sicherheitskräfte verletzt, viele schwer, viele mit Schusswunden. Gerüchte machen die Runde. Gibt es Scharfschützen? Emissäre womöglich aus Russland in ukrainischen Uniformen? Beide Seiten geben sich gegenseitig die Schuld an der Eskalation.

Das riesige Gewerkschaftshaus direkt am Majdan ist rußgeschwärzt, Rauch zieht aus zersplitterten Fenstern. In dem Gebäude mit der charakteristischen Uhr auf dem Dach sollen Stockwerke im Feuer eingebrochen sein, die Rettungskräfte müssen sich zurückziehen. Hier hatten die radikalen Demonstranten ihr Hauptquartier.

Janukowitsch weißt alle Schuld von sich

Ein Ende der Gewalt ist nicht abzusehen, Präsident Janukowitsch gibt sich unversöhnlich. Zwar spricht er in einer Mitteilung an die Ukrainer von „großem Schmerz“ und einer „Tragödie“. Aber er weist alle Schuld von sich, allein die Opposition um Vitali Klitschko habe Schuld an der Eskalation: Sie habe die Radikalen nicht im Griff. Die Regierungsgegner weisen die Vorwürfe zurück. „Nur Janukowitsch ist für den Terror und die Ermordung friedlicher Bürger verantwortlich“, sagt Klitschko in einer Videoansprache.

Die Proteste haben sich längst auf andere Teile des Landes ausgeweitet. Ukrainische Demonstranten blockieren nach Angaben des polnischen Grenzschutzes den Grenzübergang Korczowa. Zudem gibt es Berichte über Aufstände in den westukrainischen Städten Lemberg und Ternopil. In Chmelnizki soll bei Protesten eine Frau angeschossen und lebensgefährlich verletzt worden sein. In ostukrainischen Städten werden Büros von Oppositionsparteien mit Brandsätzen angegriffen. Indes rüstet sich der antirussisch geprägte Westen der Ukraine zum Aufstand. Offen ruft Andrej Sadowy, Bürgermeister der Großstadt Lwiw (Lemberg) die Polizei auf, zu den Regierungsgegnern überzulaufen.