Gesellschaft

Krankenkassen in Spendierlaune

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Viele gesetzliche Krankenkassen sind so spendabel wie lange nicht mehr. Versicherte profitieren von Prämien und Boni. Ein Wechsel kann sich lohnen. Das Verbraucherthema.

Der Kunde ist zufrieden. Er reicht die Rechnung für die Tollwut- und Typhusimpfung bei seiner Kasse ein, und binnen weniger Tage sind die 76,54 Euro auf seinem Konto. „So stelle ich mir eine Krankenkasse vor“, sagt der Versicherte der Techniker Krankenkasse (TK) Hessen. In Kürze wird er sich noch einmal freuen, dann nämlich, wenn ihm die Kasse einen Verrechnungsscheck über 160 Euro zuschickt. So viel Prämie – je 80 Euro für die Jahre 2013 und 2014 – schüttet die größte deutsche Krankenkasse dank guter Finanzlage an alle beitragzahlenden Mitglieder aus, die seit dem 1. Mai 2013 bei der TK versichert sind. Allein in Hessen sind das rund eine halbe Million Schecks. Auch 21 weitere Krankenkassen zeigen sich in diesem Jahr spendabel, deutlich mehr als noch vor zwei Jahren.

Diese Kundin ist auch zufrieden: Jährliche Routinechecks (Zahnarzt, Hautarzt, Frauenarzt) lässt sie sich in einem Bonusheft ihrer Krankenkasse abstempeln, ebenso die Mitgliedschaft im Sportverein. Das Heft schickt sie dann am Ende eines Jahres ein. Im Schnitt 80 Euro erhält sie anschließend von ihrer Betriebskrankenkasse, der MH-Plus. Neu ist ein Zuschuss in Höhe von 60 Euro für die professionelle Zahnreinigung. Damit kamen im Februar 140 Euro für 2013 auf ihr Konto. Viel Geld für wenig Mühe, wie sie sagt.

Zuschuss für Sitzungen bei Osteopathen

Diese Kundin ist nicht zufrieden: Sie hat Probleme mit der Schulter und weiß von früheren Behandlungen beim Osteopathen, dass ihr die sanfte manuelle Therapie sehr gut tut. Als ihr eine Kollegin erzählt, sie erhalte von ihrer Krankenkasse einen Zuschuss von 360 Euro für sechs Sitzungen beim Osteopathen, hakt die Kundin bei ihrer Krankenkasse, der Barmer, nach und ist enttäuscht, dass diese nur 100 Euro zusagt. Dafür könne sie sich jedoch gratis für ihren Urlaub im Ausland impfen lassen. Das interessiert die Versicherte jedoch nicht.

Hinnehmen muss die Barmer-Kundin das Angebot nicht. Sie kann zu einer anderen Krankenkasse wechseln. Zur Wahl stehen rund 130 Anbieter mit einem einheitlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent. Mehr kosten wird sie ein Wechsel also nicht. Krankenkassen haben inzwischen nur noch die Möglichkeit, außer mit Sondertarifen (Selbstbehalt, Beitragsrückerstattung) mit Boni, Prämien und anderen Zusatzangeboten zu werben.

Wer gerne eine hohe Prämie erhalten möchte, muss zu einer Kasse wechseln, die in diesem Jahr Geld ausschüttet. Wer etwa bis zum 30. September Mitglied bei der Betriebskrankenkasse BKK Mobil Oil wird, erhält die komplette Jahresprämie von 120 Euro. Wem Osteopathie wichtig ist, der sollte sich eine Krankenkasse suchen, die einen Zuschuss dafür gibt. Wer viel verreist und Impfungen, etwa auch Malaria-Prophylaxe braucht, wird auf die Erstattung der Impfkosten achten. Ältere und Alleinstehende sind mit einer Krankenkasse gut beraten, die bei schwerer Erkrankung auch eine Haushaltshilfe finanziert. So eine Leistung gibt es auch für Versicherte mit Kindern, die schon im jugendlichen Alter sind, weiß Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen. Die Gesundheitsexpertin empfiehlt, nicht nur auf Boni und Prämien zu schauen, sondern auf das Leistungsangebot. Aus ihrem Beratungsalltag weiß sie, dass viele Kassen sehr restriktiv sind, wenn es etwa um Krankengymnastik und Physiotherapie für chronisch Kranke geht. Oft zögen auch die Ärzte nicht mit, aus Angst, ihr Budget zu stark zu belasten.

„Vieles hört sich besser an, als es ist“

Auf deren Meinung kommt es auch im Fall vieler Extraleistungen der Krankenkassen an. Zuschüsse für alternative Heilmittel, zum Teil auch Osteopathie, etwa fließen bei den meisten Krankenkassen, die in der Tabelle auf dieser Seite stehen, nur dann, wenn ein Arzt die Behandlung ausdrücklich verordnet hat. Und der Zuschuss für die professionelle Zahnreinigung ist bei vielen Kassen an den Besuch bei einem Arzt gekoppelt, der einem bestimmten Netzwerk angehört. „Vieles hört sich besser an, als es tatsächlich ist“, meint Verbraucherberaterin Hubloher.

So oder so wird die Spendierlaune nicht von Dauer sein. Nach der geplanten Gesundheitsreform soll es von Januar 2015 an zwar einen einheitlichen Beitragssatz in Höhe von nur noch 14,6 Prozent geben. Allerdings dürfen die Krankenkassen prozentual einen Zusatzbeitrag erheben, wenn sie mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen. Diesen sollen nur die Arbeitnehmer zahlen. Die Beiträge sollen die Kassen über das normale Lohnabzugsverfahren einziehen, ohne dass sie ihre Versicherten vorher informieren müssen. Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass sich die Kassen auf diese Weise das fehlende Geld auf direktem Weg von ihren Mitgliedern holen werden.