Inland

830 Einwohner, 500 Asylbewerber

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In einem kleinen sauerländischen Ort mit 830 Einwohnern soll ein Heim eingerichtet werden – für 500 Asylbewerber. Die Dorfbewohner wehren sich, fürchten einen Wertverlust ihrer Häuser und auch Konflikte.

Christian Meier hat sich schick gemacht. Jackett und Hemd. Auf seiner Krawattennadel prangt das rot-silberne Wappen von Wimbern. Meiers Bilder-Nachmittag zählt zu den gesellschaftlichen Höhepunkten des Dorfs. In Wimbern, das am nördlichen Saum des Sauerlands liegt, veranstaltet die St.-Johannes-Schützenbruderschaft zwei Schützenfeste im Jahr: eines im Sommer und eines im Winter. Beim Winterschützenfest wird allerdings statt auf einen Vogel auf einen Schneemann gezielt. Dafür ist das Winterschützenfest ein ganz besonderer Ausweis der Wimberner Toleranz: Auch Frauen und Vereinsfremde dürfen im Winter mitschießen. Das Auftaktereignis jeden Wimberner Jahres aber ist der Bilder-Nachmittag des Geschichtsvereins „Dorf Wimbern e.V.“ Keiner der 160 Plätze an den fünf langen Tischreihen bleibt frei. Das hängt vermutlich auch mit den insgesamt 29 Kuchen und Torten zusammen, die fleißige Helferinnen für den Bilder-Nachmittag angefertigt und in der Schützenhalle zu einem verlockenden Buffet arrangiert haben. Vor allem aber liegt es daran, dass Christian Meier und sein Freund, der Ortsvorsteher Edmund Schmidt, ihre Bilder-Zeitreise durch die Dorfgeschichte mit topaktuellen Fotografien zu jenem Thema beginnen wollen, das die Leute auch in ihren Tischgesprächen bewegt wie kein anderes: die Zentrale Unterbringungs-Einrichtung (ZUE) für Asylbewerber, die bald am Ortsrand in einem leerstehenden Krankenhaus eröffnet werden soll.

Während sich Dieter Feuerhack Kaffee nachschenkt, beteuert er, dass Wimbern wirklich nicht fremdenfeindlich sei. „Aber 500 Asylbewerber in einem Dorf mit gut 830 Einwohnern, wie soll denn das funktionieren?“ Der Rentner fragt sich, was die Leute den lieben langen Tag in Wimbern tun sollen. „Rumstrolchen? Dummheiten machen?“ Baulich sei das alte Krankenhaus eh ungeeignet. Anders als in der ZUE im ebenfalls sauerländischen Hemer und jener im münsterländischen Schöppingen sei die ehemalige Klinik nicht in verschiedene Gebäudekomplexe geteilt. „Verfeindete Volksgruppen ließen sich im Fall der Fälle nur schwer separieren“, sagt Feuerhack fachmännisch. Dann regelt jemand das Licht herunter.

Meier und Schmidt zeigen Bilder aus dem Inneren des Marienkrankenhauses. Kaum zu glauben, dass es schon mehr als zwei Jahre her ist, dass in der Kapelle der letzte Gottesdienst gefeiert wurde. In den Fächern liegen noch die Stundengebetsbücher der Schwestern. Die Flure der Klinik sind verwaist, die Krankenzimmer leergeräumt. Eigentlich sollte die ZUE längst in Betrieb sein. Aber drei Tage vor dem anvisierten Eröffnungstermin wurde im vergangenen Sommer in den Deckenverkleidungen PCB, eine krebserregende Verbindung, gefunden. Ein wenig hofften die Wimberner, dass das Projekt vielleicht noch scheitern könnte. Doch Ortsvorsteher Schmidt hat auch die Decken fotografiert und berichtet nun, dass die Sanierungsarbeiten weitgehend abgeschlossen sind.

„Sprunghafter Anstieg“ bei Zahl der Asylbewerber

Von Wimbern bis zur Bezirksregierung nach Arnsberg sind es nur gut zwanzig Minuten mit dem Auto. Und doch liegen zwischen Wimbern und Arnsberg Welten. „Das Krankenhaus ist geradezu ideal als ZUE geeignet“, sagt Michael Kirchner. Der Leiter der Abteilung 2 (Ordnungsrecht, Sozialwesen, Gefahrenabwehr) hat von seinem Büro im neunten Stock des Bezirksregierungs-Hochhauses eine beeindruckende Sicht weit ins Land hinein. Kirchner ist nicht nur für die Unterbringung von Asylbewerbern im Umkreis zuständig. Das Innenministerium in Düsseldorf hat per Rechtsverordnung festgelegt, dass Kirchner von Arnsberg aus ganz Nordrhein-Westfalen im Blick haben muss. Gemeinsam mit seinem Hauptdezernenten Peter Ernst ist Kirchner für die Erstaufnahme, die Erstunterbringung und auch für die Zuweisung von Asylbewerbern an die 396 Kommunen im Land zuständig. Es ist eine anstrengende Dauerbaustelle. „Unsere Aufgabe ist, die Menschen unterzubringen. Die Alternative wäre die Obdachlosigkeit.“